Elegie - Herr der Dunkelheit
Flusskehre strömen. Das hier ist auch ein Ding, das nicht die Sache selbst ist, dachte er. Dennoch hat es eine Form. Ich kann es in meinen Händen halten, ich kann seine Form mehr der Vorlage angleichen. Es ist ein Stein, etwas Wahrhaftiges. Es ist ein grüner Stein, der wie Wasser aussieht. Diese Dinge kann ich begreifen. Er umschloss das Rhios mit seiner Hand und flüsterte ein Gebet zu Neheris von den fallenden Wassern. »Unser aller Mutter, wasche meine Angst hinweg!«
Es brachte Erleichterung, diese Worte zu sagen. Worte hatten Macht, wenn sie mit Bedacht ausgesprochen wurden. Er fühlte, wie ein Teil der Furcht von ihm abfiel. Der Fels, der ihn umgab, wurde ein freundlicherer Kamerad. Die Erinnerung an den Marasoumië verblich und nahm dabei das Bild des Zauberers mit seinen schrecklichen, starrenden Augen mit, dessen Lippen sich im Dickicht seines weißen Bartes bewegten, als er die Worte sprach, um die Bahnen in seine Gewalt zu bringen, während der Soumanië auf seiner Brust zu brennen schien. Skragdal würde es nicht vergessen, aber er würde es auch nicht mit sich nehmen.
Er seufzte.
Es war eine Gabe.
Fürst Satoris hatte recht, er hatte immer recht gehabt. Wie weise waren doch die Ältesten, die das erkannt hatten! Schlummerten nicht die Fjel in Frieden, während die Menschen in ihren Träumen wimmerten?
Es war schon immer so gewesen.
»Werden wir hier sterben, Heerführer?« Speros’ Stimme brach bei dieser Frage, und er verdrehte die Augen, bis weiße Halbmonde unter der braunen Iris zu sehen waren. Die Mittagssonne stand bewegungslos über ihnen. Bei den letzten Schritten war er bereits getaumelt und hatte eine sich schlängelnde Spur im Sand hinterlassen. Ihre Wasservorräte waren in der letzten Nacht zu Ende gegangen, und die stundenlange Wanderung forderte nun ihren Tribut.
»Nein.« Tanaros biss die Zähne zusammen, packte den Mittländer und zog sich seinen Arm über die Schultern. Mit gesenktem Kopf stolperte er voran und fing das Gewicht auf, das sich nun gegen ihn lehnte. »Komm schon, Junge. Nur noch ein kleines bisschen weiter.«
Speros’ Atem fuhr heiß und stoßweise gegen sein Ohr. »Das habt Ihr schon vorher gesagt.«
»Und ich werde es wieder sagen«, gab Tanaros zurück und kämpfte sich voran.
»Heerführer!«, rief einer der Gulnagel. »Ein Wasserloch!«
Der stolpernde Zug schleppte sich zu der von dem Fjel gefundenen Stelle. Sie fielen auf die Knie und gruben mit den Händen in dem dürren Unterholz. Die Yarru hatten ihnen gezeigt, auf welche Zeichen sie achten mussten. Dort, wo Dornenbüsche wuchsen und die Termiten ihre Hügel errichteten. Dort gab es Leben, eine kostbare Unze um die andere. Feuchtigkeit färbte den Sand dunkel und sammelte sich glitzernd, wo sie gruben. Ein Zoll Wasser, vielleicht mehr. Sand spritzte, als die Fjel das Loch vergrößerten, dann schöpften sie die sich sammelnde Flüssigkeit eifrig mit Tanaros’ Helm und bewahrten sorgsam jeden Tropfen. Sie hatten die Rüstung des Heerführers auf dem Rücken getragen, weil sie ihnen zu wertvoll erschienen war, um sie zurückzulassen.
Eine glückliche Fügung, denn der Helm gab ein gutes Gefäß ab.
»Heerführer?« Ein Gulnagel hielt ihm den Helm hin. Er sah in den riesigen Händen klein aus. Ein Zoll Wasser bedeckte den Boden. »Trinkt.«
Tanaros leckte sich die trockenen Lippen und sah zum Himmel auf. Er war blau und gnadenlos, und die weiße Sonne brannte darin wie Haomanes Zorn.»Gebt es ihm«, sagte er und deutete auf Speros,
den er sanft in das bisschen Schatten gelegt hatte, das der Dornbusch bot. »Was übrig ist, nehmt ihr.«
»Ist in Ordnung, Heerführer.« Der Fjel hockte sich auf die ausgetrocknete Erde, hob Speros’ Kopf in seinen Schoß und neigte den Helm. »Trinkt«, sagte er mit lockender Stimme.
Der Mittländer trank, die Muskeln seiner Kehle zuckten, und dann seufzte er.
Was übrig war, teilten die Gulnagel unter sich auf. Es war nicht mehr als ein Schluck für jeden. Einer von ihnen ging dann zu dem größten der Termitenhügel und bohrte einen dornigen Ast in die Öffnung an der Spitze, um die Tiere hervorzulocken. Die anderen scharten sich ebenfalls um den trockenen Turm, als die zornigen Insekten herausmarschierten, griffen mit geschickten Krallen zu und warfen sie sich in den Mund, um dann Fühler, Beine und Körper mit Genuss zu vertilgen.
»Esst, Heerführer.« Freg grinste ihn mit seinen abgebrochenen Augenzähnen an und kam zu ihm herüber. Er hielt seine
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