Elegie - Herr der Dunkelheit
»Ich werde Euch ein Tablett bringen, Heerführer.«
»Danke, Meara«, sagte er ernst.
Nun liefen sie eilig hinter Meara her, und ihre Stimmen hallten flüsternd von den Wänden. Wieder allein, betrat Tanaros seine eigenen Gemächer.
Hier, in den großen Räumen, die er bewohnte, war es still. Ein paar Lampen verbreiteten ein wenig Licht, warfen flackernde Schatten auf die glänzenden schwarzen Wände und erhellten die Adern des Feuermarks. Tanaros drehte die Dochte ein wenig höher, bis ihr warmer Schein das blauweiße Schimmern des Feuermarks überdeckte und den Zimmern ein menschlicheres Ansehen gab. Dicke Rukhari-Teppiche dämpften seine Schritte, ihre einfallsreichen, verschlungenen
Muster verloren sich in dem schwachen Licht. Sie gehörten zu dem wenigen Luxus, den er sich gönnte. Er löste die Schnallen seines Brustpanzers und nahm die Rüstung Stück für Stück ab. Es war nicht ganz einfach ohne Hilfe, aber nach einiger Zeit hing jedes Teil an dem dafür vorgesehenen Gestell. Tanaros setzte sich auf einen niedrigen Hocker und zog sich seufzend die Stiefel aus. Die Spitze seines Schwertes schabte über den Teppich, als er sich bückte, und der Schwertgriff bohrte sich in seine Seite.
Krieg. Es bedeutet Krieg.
Nun stand er auf und streckte sich, und schließlich löste er auch den Schwertgurt. Selbst geschützt in der Scheide war die Kraft der Klinge zu spüren, und die Narbe über seinem Herzen schmerzte. Schwarz war sie, die Klinge, im Feuermark gehärtet und in Satoris’ eigenem Ichor gelöscht. Er hatte sie als Geschenk erhalten, als das Brandzeichen ihren Pakt besiegelte, und es war ohnegleichen.
Tanaros Schwarzschwert, dachte er und lehnte die Waffe gegen das Gestell.
Ohne sie fühlte er sich nackt.
Ein leises Kratzen kam von der Tür. Leise ging er auf Socken über den Teppich und öffnete. Die Irrlingsfrau Meara schrak zurück, dann hielt sie ihm ein silbernes Tablett hin, und hinter ihr drängten sich andere Irrlinge. Verlockende Gerüche drangen unter den Abdeckungen der Teller hervor.
»Danke, Meara«, sagte er. »Stell es bitte auf den Tisch.«
Über ihre Last gebeugt kam sie ins Zimmer und setzte das schimmernde Tablett klappernd auf dem Ebenholztisch ab. Triumphierend richtete sie sich auf und winkte den anderen. Sie flüsterten miteinander und schlichen wie Schatten in seine Gemächer, um mit ehrfürchtigen Gesichtern seine staubige, verschwitzte Rüstung und die dreckigen Stiefel an sich zu nehmen. Am nächsten Morgen würde all das poliert und leuchtend wieder an seinem Ort sein, mit ordentlich gesäuberten Schnallen, frisch geölten Riemen und glänzenden Stiefeln.
Tanaros, der dieses beklemmende Spiel schon viele, viele Male miterlebt hatte, sah ihnen mitleidig zu. »Nein«, sagte er sanft, als
einer, fast noch ein kleiner Junge, nach dem schwarzen Schwert griff. »Darum kümmere ich mich selbst.«
»Anfassen?« Der Junge sah ihn hoffnungsvoll an.
»Du darfst die Scheide berühren, siehst du, so.« Der Heerführer der Truppen von Finsterflucht ging neben dem Irrling auf ein Knie und führte seine zitternde Hand. »So.«
Die Finger des Jungen legten sich auf die Scheide, und er gab ein kehliges Raunen von sich, den Mund vor Verzückung leicht geöffnet. »Das Blut des Herrn! Das Blut meines Herrn!«
»Ja«, sagte Tanaros leise, wie er es schon so viele Male zuvor getan hatte, zu diesem und zu anderen Jungen. »Es wurde im Feuermark gehärtet und in seinem Blut gelöscht.«
Der Irrling umfasste die Hand, die ihn geführt hatte. »Sein Blut!«, krähte er.
»Sein Blut«, nickte Tanaros und erhob sich mit knackenden Kniegelenken. Es war immer so. Die heranwachsenden Männer, die Jungen, wurden von der Klinge magisch angezogen.
»Das reicht!« Durch den Erfolg ihrer Mission ermutigt stemmte Meara die Hände in die Hüften, sah sich in Tanaros’ Gemächern um und fand nichts auszusetzen. »Werdet Ihr ein Bad nehmen wollen, Heerführer?«
»Später«, sagte Tanaros. Der Hammelgeruch zog durch den Raum, und ihm knurrte der Magen. »Später genügt.«
Sie nickte ernsthaft. »Ludo wird es Euch bringen.«
»Danke, Meara.« Höflich deutete Tanaros ihr gegenüber eine Verbeugung an. Sie erschauerte, ein Krampf verzerrte ihr Gesicht, dann fuhr sie herum und rief die anderen.
»Kommt! Du und du … und du. Algar, nimm die Beinschützer des Heerführers mit. Kommt schnell, lasst den Heerführer essen!«
Tanaros sah ihnen nach, wie sie sich Mearas Befehlen fügten und beladen
Weitere Kostenlose Bücher