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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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davonschlichen. Wo fand Uschahin sie nur? Die Ungewollten, die Fehlgezeugten, die Ausgestoßenen von Urulat. Viele von ihnen waren von Geburt an versehrt – langsam, einfältig, missgebildet. Andere hatte die Welt verletzt, die Welt und die Grausamkeit der Menschen und der Geringeren Schöpfer. Von eifersüchtigen Geliebten
geprügelt, von zornigen Eltern geschüttelt, bei Eroberungszügen verkrüppelt, waren sie Opfer des Lebens, böser Umstände oder schlichter Unfälle, waren gefallen oder halb ertrunken, bis ihr Verstand verwirrt war, die geistige Klarheit wie ein dünner Faden riss und sich die Dunkelheit ihrer Gedanken bemächtigte.
    Kein Wunder, dass Uschahin Traumspinner sie liebte.
    Und in ihren Träumen rief er sie zu sich, rief sie in die Zufluchtsstätte von Finsterflucht. Zu allen Zeiten waren sie gekommen, allein, zu zweit, zu mehreren. Hier an diesem Ort waren sie unangreifbar. Fürst Satoris hatte es so verfügt, schon vor langer, langer Zeit, als Uschahin sein Brandzeichen empfangen und ihm die Treue geschworen hatte. Es war unter Todesstrafe verboten, ihnen etwas zuleide zu tun.
    Vorax hatte seine Leidenschaften.
    Tanaros hatte sein Heer.
    Uschahin hatte seine Irrlinge.
    Das Hammelfleisch dampfte noch, als Tanaros die Abdeckungen hob und sich an den Tisch setzte. Mit seinem scharfen Messer schnitt er sich eine Scheibe Fleisch ab, und der Bratensaft lief auf dem Teller zu einer kleinen Pfütze zusammen. Die Wurzeln waren zart, und dazu gab es Schotenerbsen, hellgrün und süß. Sie mochten geistig verwirrt sein, aber die Irrlinge von Finsterflucht verstanden sich aufs Kochen. Tanaros kaute langsam und schluckte, und er fühlte, wie die Anstrengung des langen Tages – die lange Anstrengung eines zu langen Lebens – seine Glieder schwer und müde werden ließ.
    Ein warmes Bad wäre schön.
     
    »Gut gemacht, Vetter.«
    Eine Stimme, hell und spöttisch. Tanaros öffnete die Augen und sah Uschahin in seinem Gemach stehen. Die Dochte waren weit heruntergebrannt, aber dennoch war das Lampenlicht wenig vorteilhaft für das Halbblut und zeigte seine entstellten Züge nur zu deutlich. Auf einer Seite war der Wangenknochen gebrochen und lag nun zu tief, auf der anderen Seite war er hoch und von altem Leid gezeichnet.

    »Treibst du deine Späße mit mir, Vetter?«, gähnte Tanaros und richtete sich in seinem Sessel auf. »Wie bist du hier hereingekommen?«
    »Durch die Tür.« Der Traumspinner nickte mit seinem spitzen Kinn in die angegebene Richtung. »Ich mache keine Späße. Bereitschaft, das ist es, was unser Herr von uns erwartet, und du hast Bereitschaft gezeigt, Tanaros Schwarzschwert. Schade nur, dass du deine eigenen Gemächer nicht ebenso gut bewachst.«
    »Sollte ich der Sicherheit Finsterfluchts nicht vertrauen, die ich selbst erschaffen habe? Du spottest meiner, Vetter.« Tanaros unterdrückte ein weiteres Gähnen und zwinkerte, um wieder klar zu denken. Das Bad hatte ihn müde gemacht, und er war in seinem Sessel eingenickt. »Was ist dein Begehr, Traumspinner?«
    Das Halbblut ließ sich auf Tanaros’ Teppich sinken und verschränkte die Beine zum Schneidersitz. Seine ungleichen Augen blickten verwirrend gerade. »Malthus plant irgendetwas.«
    »Ja«, sagte Tanaros. »Eine Hochzeit.«
    »Nein.« Uschahin schüttelte den Kopf mit dem glatten, silbergoldenen Haar. »Irgendetwas Größeres .«
    Jetzt war Tanaros ganz wach. »Hast du in den Träumen der Menschen davon gehört?«
    »Ich wünschte, das hätte ich.« Der Traumspinner stützte den Kopf auf die gefalteten Hände und runzelte die Stirn. »Ein wenig, das schon. Aber nicht mehr. Malthus der Gesandte hält seinen Beschluss gut geheim. Ich weiß nur, dass er eine Gruppe von Gefährten zusammenstellt, die nichts mit der Hochzeit zu tun hat.«
    »Eine Gruppe von Gefährten?«
    »Blaise von der Grenzwacht wird dazugehören«, sagte Uschahin leise und beobachtete ihn. »Altorus’ Oberster Ritter. Er hat davon geträumt. Er ist aus deiner Sippe, nicht wahr?«
    »Ja.« Tanaros’ Kiefermuskeln mahlten, und er griff unbewusst nach dem Rhios in der Tasche seines Morgenmantels. Die glatte Oberfläche beruhigte ihn. »Er stammt aus der Familie meines Vaters. Bereiten sie einen Angriff auf Finsterflucht vor? Jetzt?«
    »Nein.« Uschahin hatte die kleine Geste bemerkt, aber er ging
nicht darauf ein. »Das ist ja so seltsam, Vetter. Es hat nichts mit uns zu tun, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.«
    »Die Zauberin?«, fragte Tanaros.
    Uschahin

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