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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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Kaninchenfell, das er gefertigt hatte, und suchte nach einem Felsen, an dem er es festmachen konnte.
    »Halt aus, Junge!«, rief Thulu über seine Schulter und ließ sich Stück für Stück hinab, das Ende des Seils um die Hüften geschlungen und die nackten Füße gegen den Abhang gestemmt. »Ich komme.«
    Das Seil war zu kurz.
    Danis Arme zitterten.
    Zu Hause wäre das Seil aus Thukkaranken gewesen. Davon gab es dort mehr als genug. Es war eine der ersten Fertigkeiten, die jeder Yarru-yami lernte: wie man Seil aus Thukka drehte. Hier gab es nur Felle, die in Eichenwasser schlecht gegerbt worden waren. Und wenn Onkel Thulu nicht versucht hätte, ihm ein paar Schuhe zu machen, dachte Dani, dann wäre das Seil länger gewesen.

    »Hier!« Thulu zog seinen Grabstock aus dem Strick, der ihm als Gürtel diente, und streckte ihn, das stumpfe Ende voran, Dani hin. »Halte dich daran fest, Junge, ich ziehe dich rauf.«
    Dani atmete heftig aus. An seinem Schlüsselbein zitterte das Tonfläschchen, das das Wasser des Lebens enthielt. Ein zerbrechliches Gefäß, das auf den Felsen unter ihm zerschmettern würde, ebenso wie sein Körper. Was würde passieren, wenn das Wasser des Lebens in Neheris’ Flüsse gelangen würde, wo ihre Kinder lebten? Die Fjeltrolle würden ihren Nutzen daraus ziehen. »Nimm das Fläschchen, Onkel!« , rief er. »Das ist wichtiger als ich. Nimm deinen Stock, zieh es von meinem Hals!«
    »Nein.« Thulus Gesicht war stur. »Du bist der Träger, und ich werde dich nicht verlassen.«
    Dani biss die Zähne zusammen und sah nach unten. Weit unter ihm schoss ein Band weiß schäumenden Wassers über zerklüftete Felsen dahin. Ihm kam es vor, als ob es seinen Namen sang; Schwindel überkam ihn und wollte ihm die letzten Kräfte rauben. »Ich kann es nicht«, flüsterte er und schloss die Augen. »Onkel, nimm das Fläschchen. Ich als der Träger befehle es.«
    Ohne hinzusehen, hörte er den gequälten Fluch, als sein Onkel den Stock umdrehte. Er fühlte, wie sich das spitze Ende des Grabstocks unter die Kordel um seinen Hals schob und das Band hob. Einen Augenblick spürte er Leichtigkeit und Freiheit, so überwältigend, dass er beinahe laut gelacht hätte.
    Und dann ein Aufseufzen, ein scharfes Krack, als die Spitze des Grabstocks unter dem unmöglichen Gewicht des Wassers des Lebens brach. Das Fläschchen schlug sanft gegen seine Brust, kehrte zum Träger zurück und schmiegte sich an seinen Körper.
    »Dani.« Thulus Stimme holte ihn zurück; sie klang gleichzeitig ruhig und drängend. »Nur du kannst der Träger sein. Halte dich am Stock fest.«
    Die Angst kehrte zurück, als er die Augen öffnete. Wieder ragte ihm das stumpfe Ende des Stocks entgegen. Das geflochtene Lederband war straff gespannt, es knirschte und knackte. »Das Seil ist nicht stark genug, um uns beide zu halten, Onkel.«

    »Doch, das ist es.« Onkel Thulus Gesicht war vor Anstrengung verzerrt, und seine Arme begannen nun auch unter dem Druck zu zittern. »Verdammt, Junge, ich habe es selbst geknüpft. Halte dich fest, ich befehle es dir: Halte dich fest!«
    »Uru-Alat«, flüsterte Dani, »schütze uns!«
    Das Ende des von der Rinde befreiten Stocks aus Baariholz war nur wenige Zoll von seiner rechten Hand entfernt. Es kostete ihn all seinen Mut, den Griff von der festen Kante zu lösen und stattdessen das glatte Holz zu packen. Welcher Nutzen lag im Zeichen des Trägers? Danis Handfläche war schweißnass vor Angst und rutschte an dem Holz ab. Der schwindelerregende Abgrund rief seinen Namen. Er kämpfte dagegen an, als Onkel Thulus Grabstock sich seinem Griff entwand und rücksichtslos durch die Sternmarkierung des Trägers hindurchglitt.
    Hindurchglitt und sich dann packen ließ.
    So unwahrscheinlich es auch war, Dani gelang es, sich festzuklammern, am Ende, wo das glatte Holz ein wenig knorrig war. Es war nicht viel, aber es reichte. Onkel Thulu, der sich mit einem Arm am Seil festhielt, zog ihn mit dem anderen zu sich hoch und keuchte vor Anstrengung. Das geflochtene Lederseil wurde immer dünner und dehnte sich immer weiter, den Erfolg ihrer Bemühungen immer weiter hinauszögernd … aber es hielt, es riss nicht. Seine Armmuskeln zitterten, als Thulu von den Yarru-yami seinen Neffen einen quälenden Zoll nach dem anderen emporzog. Als er über die Klippe sehen konnte, umklammerte Dani den Fels mit der freien Hand und zog sich trotz des Schmerzes in seinen Schultern nach oben, bis er einen Fuß über den Rand schieben konnte.

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