Elegie - Herr der Dunkelheit
Stätte seiner Geburt zurückgekehrt war, ob der Fürst sie Calanthrag der Ältesten als Preis für die Hilfe der Drachen im Krieg der Schöpfer überlassen hatte. Welches belebende Geheimnis diesem Ort auch immer innewohnen mochte, es hatte ihm neue Kraft verliehen. Selbst jetzt noch fühlte er, wie sie durch seine Adern strömte. Die Nüstern des Braunen blähten sich und zeigten die rote Innenseite; dennoch lief er weiter, und unter seinen Hufen flogen die Weglängen vorüber. Unter dem schwachen Sternenlicht blieb das Sumpfland des Umlands von Vedasia allmählich hinter ihnen zurück, und sie ritten weiter voran.
Sie folgten der Küstenlinie der Harrington-Bucht. Die Straße war bleicher Staub unter ihren Hufen, und vor ihnen flog eine Schar Raben in Keilformation. Links und rechts von ihnen trabte ein reiterloses Pferd, das eine geistergrau, das andere schwarz wie die Nacht. Hinter sich ließen sie Albträume zurück, und die freien Fischer der Harrington-Bucht warfen sich in ihren Betten herum, erwachten auf schweißgetränkten Kissen, sahen in die besorgten Gesichter ihrer Frauen und hörten die Schreie ihrer ängstlichen Kinder.
Uschahin lächelte darüber.
Aber es gab noch größere Beute auf seinem Streifzug. Wenn er seine Netze auswarf, fing er die Träume der Menschen und sah sie sich an. Hinter ihm war das, was bekannt war. Aracus Altorus und seine Männer, die eilends gen Westen ritten. Ellylisches Blut und
ellylischer Stolz wallten auf, ebenso das Blut und der Stolz der Männer von Curonan. Dennoch wagten sie es nicht, das Delta zu durchqueren. Ihre Gedanken wandten sich voller Angst davon ab. Uschahin dachte an Calanthrag die Älteste, die in seinem Herzen wohnte, und er lächelte wieder. Kurz dachte er voll Hass an Aracus Altorus, der einen bitteren Sieg gegen die Wehre errungen hatte. Kurz dachte er voll Mitleid an die Zauberin von Beschtanag, nun dazu verdammt, in sterblichem Fleisch zu verfaulen. Kurz dachte er voll Neugier an Blaise Caveros, der so sehr an seinen Vorfahren Tanaros erinnerte.
Dann sah er nach vorn.
Nach Meronil zu blicken, das wagte er nicht. Ingolin der Weise hielt seine Grenzen sorgsam bewacht und bewahrte alles, was es an alter ellylischer Zauberkunst gab, und selbst Uschahin Traumspinner wagte es nicht, sich in die Träume der Ellylon zu schleichen, die sich dort aufhielten. Aber vor Meronil lag Seefeste, eine Festung der Menschen, und weiter nördlich waren die fruchtbaren Gebiete der Mittlande.
Dort ging ein Gerücht um.
Es kam aus dem Norden, aus den Bergen von Stakkia, wand sich in einem langen Gedankenflüstern, weitergegeben von Mund zu Ohr. Neugierig nahm Uschahin seine Fährte auf, verfolgte sie durch die Berge bis zur alten Walstatt von Neherinach, wo ein Knoten des Marasoumië tot und begraben lag. Tot, ja, aber nicht länger begraben. Der Knoten lag offen und aufgebrochen da, und Granit kühlte in der Sonne des Nordens aus. Etwas hatte sich an ihm zu schaffen gemacht und ihn aus der Erde herausgesprengt.
Der Galäinridder.
So lautete das Wort in der stakkianischen Sprache, und das war das Bild, das ihre Träume beeinträchtigte, das von den Bergen bis in die Ebene sickerte, so wenig greifbar wie ein Traum. Ein Reiter, ein Krieger, der Schimmernde Paladin, der auf einem Pferd ritt, weiß wie die Gischt einer kippenden Welle. Obwohl seine Hände leer waren, strömte Helligkeit von seinen Gewändern und dem leuchtenden Juwel auf seiner Brust, das wie ein Stern blinkte. Blitze knisterten in seinem Bart, und Macht durchdrang jede Silbe der schrecklichen
Worte, die er sprach, wenn er an ihr Gewissen appellierte und die Angst vor Haomanes Zorn anfachte.
Uschahin runzelte die Stirn.
Was er hier entdeckte, gefiel ihm nicht, und das, was er nicht entdecken konnte, gefiel ihm noch viel weniger. Wo war in all dem der Träger? Ein kleiner Versengter, der nur von seinem sterblichen Verwandten begleitet wurde. Er hätte leicht zu finden sein sollen, seine Ängste hätten die ganze Welt in Brand stecken sollen. Nur Malthus’ Macht hatte ihn beschützt und einen Schleier um ihn gewoben. Wenn der Gesandte tatsächlich im sterbenden Marasoumië gefangen war, dann hätte seine Macht nachlassen und den Träger sichtbar machen sollen. Dennoch … so war es nicht.
»Malthus«, flüsterte Uschahin. »Galäinridder.«
Östlich von Seefeste änderten sich seine Gedanken. War es Haomanes Gesandter, den sie fürchteten? Er würde ihnen etwas Besseres geben, vor dem sie Angst
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