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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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was er war. Es war sein Name, den er lange Zeit getragen hatte, eine Zeit, die vielen sterblichen Lebensspannen entsprach. Obwohl die Wehre ihn geschmäht und die Graufrau Vaschuka seinen Anspruch auf Zugehörigkeit zurückgewiesen hatte, war es der Name, den er behalten würde.
    Er war ihm in Liebe gegeben worden.
    Einst hatte er einen anderen Namen gehabt, einen pelmaranischen Namen, den ihm jemand verliehen hatte, der längst tot war. Die Mutter seines Vaters, wie er glaubte; er hatte nur eine vage Erinnerung daran. Eine Witwe mittleren Alters, deren Haar früh ergraut war, mit tiefen Falten und scharfer Zunge. Irgendwie müssen wir ihn ja nennen. Sein Vater, ein großer Schatten, wandte sein Gesicht ab. Dem pelmaranischen Adelsspross, dessen Leben durch einen kurzen Augenblick der Lust ruiniert worden war, war es egal, welchen Namen sein Sohn erhielt. Er zog sich in seine Erinnerungen zurück, um jenen Augenblick noch einmal zu durchleben. Nur wenige Menschen konnten von sich sagen, die ganze Wollust ihres Lebens auf ellylisches Fleisch verwandt zu haben.
    Daran erinnerte sich Uschahin.
    Nicht daran, wie sie ihn genannt hatten.
    Wenn er es versuchte, dann sah er Licht, helles Licht; das Licht von Haomanes Sonne. Sie stand hoch über dem Marktplatz der Stadt Pelmar an jenem Tag, als die anderen Kinder ihn in die Enge getrieben und eingekreist hatten. Er hatte sich lange gewehrt, aber am Schluss waren es einfach zu viele gewesen. Die Kinder der Stadt Pelmar mochten seine hellen Augen nicht, die ihre schmutzigen Gedanken zu schnell durchschauten, sie mochten sein bleiches Haar nicht, seine gewandten Bewegungen und die deutlich hervortretenden
Wangenknochen, leicht schräg, fremdartig und unvertraut. All das machte ihnen Angst, und sie wussten, so wie Kinder solche Dinge eben wissen, dass die Schuld seines Vaters dessen Lippen verschließen würde und dass die Familie seiner Mutter längst wieder weit weg war.
    Es wäre besser gewesen, wenn es ihn gar nicht gegeben hätte.
    Und so hatten die Kinder versucht, mit den Steinen, die sie aus dem Pflaster des Marktplatzes rissen, dafür zu sorgen, dass es so war. Als die ersten geworfen wurden, wich er ihnen aus. Hätten sie ihn nicht in die Enge getrieben, wäre er ihnen allen ausgewichen; aber sie holten ihn ein.
    Er erinnerte sich an den ersten Stein, einen Querschläger. Er streifte seine Wange und ließ eine Schwellung und eine bläuliche Abschürfung zurück, die seine glatte Haut aufriss. Brach dabei auch der Wangenknochen? Vielleicht. Es war egal. Danach war es noch schlimmer gekommen. Sie kreisten ihn ein, mit Steinen in der Hand. Und dann trafen ihn noch mehr Wurfgeschosse. Uschahin erinnerte sich nicht an jene, die ihm die Hände gebrochen hatten, als er sie in dem nutzlosen Versuch erhob, sich zu schützen. Er rollte sich zu einer Kugel zusammen, und sie fielen über ihn her und zogen seine Glieder straff auseinander. Der Schatten eines Händlers verdunkelte die kleine Gasse und verschwand wieder. In die Streitereien von Kindern mischte man sich nicht ein. Jemand – er erinnerte sich nicht, wer das getan hatte, er hatte niemals das Gesicht gesehen – war mit Begeisterung auf seine ausgestreckten Arme und Beine getreten, bis die Knochen mit dem Geräusch eines abknickenden Zweiges brachen.
    An den letzten Schlag erinnerte er sich.
    Es war ein Junge gewesen, vielleicht zwölf Jahre alt. Er kniete auf dem Kopfsteinpflaster, ein sterblicher Junge mit aufgeschürften Knien. Ein Stein in seiner Faust, der gegen Uschahins Schläfe prallte. Unter diesem Schlag brachen Knochen, und seine Augenhöhle wurde eingedrückt. Der Junge spuckte ihm dann in das zerschmetterte Gesicht und flüsterte einen Namen. Was für einen, das wusste er nicht mehr. Er erinnerte sich nur noch an den furchtbar langen Weg
in den Wald, als er mit seinen zerschlagenen Gliedern dahingerobbt war wie ein Schwimmer auf dem Trockenen und dabei eine Blutspur auf dem Marktplatz zurückließ, dann an den weichen, nachgiebigen Boden aus Kiefernnadeln und an die Graufrau, die ihm einen neuen Namen gab.
    Uschahin-der-zwischen-Abend-und-Morgendämmerung-umgeht.
    Die Muskeln des Blutbraunen bewegten sich unter ihm, zogen sich zusammen und streckten sich, Schritt um Schritt. Das Tier hätte müde sein sollen, aber in seinen Träumen lag keinerlei Müdigkeit. Uschahin spürte seine Überraschung. Seine Macht war während seines Abstechers ins Delta gewachsen. Er fragte sich, wieso Satoris niemals zur

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