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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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hatten, verbrauchten sie jetzt auf einmal.
Ihre Rucksäcke wippten auf ihren Rücken, als ihre kräftigen Beine ihre schweren Körper mit schnellen Sprüngen vorantrieben. Mit einem wortlosen Aufschrei ließ Speros die fast leeren Wasserschläuche fallen und folgte ihnen in wildem Lauf, wobei er mit gebrochener Stimme schrie.
    Vier Gestalten, drei große und eine kleine, rannten über das karge Land.
    Tanaros Schwarzschwert, Heerführer von Finsterflucht, schüttelte den Kopf und hoffte, dass die vier nicht zusammenbrechen würden, bevor sie den Rand der Wüste erreichten. Er sammelte Speros’ Wasserschläuche auf und hob sie sich auf die Schulter, dann berührte er das Heft des schwarzen Schwertes, das von seinem Gürtel herabhing. Es war noch da, und der Nachhall des Blutes, das sein Fürst vergossen hatte, flüsterte Tanaros’ Fingerspitzen etwas zu. Er war wieder auf Kurs, und sein innerer Kompass, sein gebrandmarktes Herz, zog sich zusammen.
    Westwärts.
    Er fiel in einen gleichmäßigen Trab und sah, dass die Baumreihe näher kam, während die laufenden Gestalten vor ihm schwankten, stolperten und langsamer wurden. Es war weiter, als sie gedacht hatten, mindestens noch eine Weglänge. So war es immer. Obwohl er Blasen an den Füßen hatte und seine Stiefelabsätze gebrochen waren, suchte er sich einen Weg über den steinigen Boden und hielt dabei ein stetiges Tempo, bis er sie schließlich einholte. Er verteilte die Wasserschläuche und ein paar bissige Zurechtweisungen, die zerknirscht entgegengenommen wurden. Sie gingen weiter.
    Ihre Schritte wurden schwerer, als sie sich weiter voranschleppten; ihre Kraft war verbraucht. Sie waren erschöpft, aber noch immer am Leben.
    Tanaros’ Schritte wurden leichter, je näher sie kamen.
    Kiefern, verkrüppelt und verdreht, wuchsen am westlichen Rand der Unbekannten Wüste. Hinter ihnen stand dürres Gras und zeigte an, dass sich die Zusammensetzung des Bodens änderte, dass die verbrannte Wüste allmählich in die fruchtbaren Gebiete der Mittlande überging.

    Im Schatten der Kiefern hockte Bring inmitten der Nadeln auf einem Zweig und wippte in triumphierendem Gruß mit dem Kopf. Seine schwarzen Augen waren hell, so hell wie das sich spiegelnde Sonnenlicht auf dem schmalen Bach, der die Kiefern speiste.
    Eine kleine Gefälligkeit.
     
    Tief auf den Rücken des blutbraunen Hengstes gedrückt, ließ sich Uschahin Traumspinner vom weit ausholenden Galopp seines Pferdes tragen wie ein leckgeschlagenes Schiff von den Wellen einer windumtosten See. Und dennoch lag in ihm eine Macht, die weit über die Stärke seiner verkrüppelten Glieder hinausging. Während er ritt, warf er sein Gedankennetz über ganz Urulat aus und ritt auf den Wegen zwischen Traum und Wachen.
    Es war eine Kunst, die er allein beherrschte.
    Die Wehre hatten es ihm beigebracht, oder jedenfalls glaubten das viele. Es stimmte, und auch wieder nicht. Die Graufrau Sorasch hatte ihn in die Geheimnisse der Wehre eingeweiht, in deren Blut der Ruf von Oronins Horn widerhallte. Weil der Tod ein Teil ihrer Schöpfung war, waren ihnen Türen geöffnet, die den anderen Geschlechtern der Geringeren Schöpfer verschlossen blieben.
    Uschahin hatte Oronins Horn gehört. Es war für ihn erklungen, als er noch ein Kind war und sein zerschundener Körper blutend in den Wäldern von Pelmar gelegen hatte; damals hatte der Tod auf ihn gewartet. Aber die Graufrau hatte ihn für sich beansprucht, da sie um ihre erschlagenen Welpen trauerte, hatte sie geflüstert: Noch nicht.
    Sie hatte sich seiner angenommen und ihn unterwiesen. Dennoch war er kein Wehr, und wenn er ihre Künste anwandte, verzerrte sich ihr Zauber. Die Wehre konnten, wie die Fjeltrolle, die Angst der Menschen riechen; im Gegensatz zu den Fjel konnten sie auch ein Menschenherz auf mehr als hundert Schritt schlagen hören und den Puls seiner Angst schmecken. Uschahin, in dessen Adern das Blut von Haomanes Kindern rann, konnte die Gedanken der Menschen spüren. Und es waren ihre Gedanken – ihre Träume, ihre unausgesprochenen Ängste und wortlosen Freuden –, aus denen die Wege entstanden, auf denen er reiste. Sie bildeten ein Netz, so groß und
verzweigt wie der Marasoumië, aber ungleich komplizierter. Er hatte sie viele Male beschritten. Nun war es das erste Mal, dass er darauf ritt.
    Uschahin-der-zwischen-Abend-und-Morgendämmerung-umgeht.
    So hatte ihn die Graufrau Sorasch genannt, in der Sprache der Wehre, in der es keine anderen Worte für das gab,

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