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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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geformt, bevor die Welt gespalten wurde. Lilias
wusste das, wie jedes Kind. Und nachdem die Welt gespalten worden war, als Satoris in die Tiefen Urulats floh, hatte Haomane versucht, ihn mit ihrer Hilfe zu zerstören. Er hatte die Sonne erst wieder zurückgerufen, als sie die Erde so sehr verbrannte, dass beinahe alles Leben darauf vergangen wäre.
    Und Satoris war entkommen, hatte die Unbekannte Wüste hinter sich gelassen.
    Dennoch hatte die Sonne den Weltenspalter gezeichnet, sein Fleisch geschwärzt und vertrocknet und ihn so geschwächt, dass er ihr Licht nicht mehr ertrug. Ein ganzes Zeitalter versteckte er sich in den kühlen, höhlenartigen Festungen von Neherinach, bei den Fjel, und gesundete allmählich, bis es ihm gut genug ging, dass er sich nach Westen weiterkämpfen und seine Rache gegen die Welt vorbereiten konnte.
    Natürlich schien die Sonne nicht unverschleiert auf Finsterflucht.
    »Ich bitte um Verzeihung, Heerführer«, sagte Lilias. »Ich hatte nicht daran gedacht.«
    »Das macht nichts.« Tanaros lächelte wieder und sog die Bergluft tief in seine Lungen. »Ich habe sie vermisst.«
    Lilias blieb stehen und klemmte sich eine vom Wind gelöste Haarsträhne hinters Ohr. Sie hatten eine schwindelerregende Höhe erreicht, und die Klippen zu ihren Füßen fielen steil ab, aber sie war hier oben zu Hause. »Warum dient Ihr ihm dann?«, fragte sie neugierig.
    »Ihr wisst, was ich getan habe?« Er warf ihr einen schnellen Blick zu.
    Sie nickte.
    Sie wusste es; die ganze Welt wusste es. Zwölfhundert Jahre waren vergangen, seit Tanaros Caveros Hauptmann der königlichen Wache von Altoria gewesen war, der geschworen hatte, seinem Verwandten Roscus Altorus zu dienen. Seine Frau betrog ihn, legte sich ins Bett des Königs und gebar ein Kind aus dieser Verbindung. Tanaros rächte sich für diesen Betrug, indem er seine geliebte Frau erdrosselte, seinem König, dem er die Treue gelobt hatte, ein Schwert in den
Bauch stieß und mit blutbefleckten Händen floh. Und das war alles, was man in Urulat über ihn wusste, bis er vierhundert Jahre später wieder auftauchte, das Heer von Finsterflucht in die Schlacht führte und das Königreich Altoria in Trümmer legte.
    »Tja.« Tanaros sah zur weit entfernten Schlucht am Fuß des Berges hinüber. »Dann wisst Ihr es. Mein Herr Satoris …« Er unterbrach sich und spielte wieder mit dem unsichtbaren Talisman. »Er brauchte mich, Hohe Frau. Er war der Einzige, der mich brauchte, und der Einzige, der mir einen Grund zum Leben gab. Er gab mir etwas, für das ich kämpfen, und ein Heer, das ich führen konnte. Er ist der Einzige, der mir die Würde meines Hasses ließ.«
    Das war kaum verwunderlich.
    Lilias wusste ein wenig vom Schmerz des Weltenspalters, von dem Verrat, der ihn geformt hatte, aber diese Gedanken teilte sie nur mit dem Drachen. Sie fragte sich, wie viel Tanaros wissen mochte. Man konnte sich schwerlich vorstellen, dass er jene Taten, die ihn an die Seite des Schöpfers getrieben hatten, wirklich getan hatte, und dennoch, er hatte sie nicht geleugnet. Sie fragte sich, ob er sie bedauerte, und vermutete, dass es so war. Selbst in der hellen Sonne lag ein immerwährender Schatten um seine Augen. »Kommt«, sagte sie. »Calandor wartet.«
    Und sie führte ihn zum Eingang der Höhle und krabbelte über die Kante des Plateaus, all ihre Würde vergessend. Hier spielte das keine Rolle. Der Eingang klaffte vor ihnen wie ein großes Maul, und darin bewegte sich etwas, hoch über ihnen. Stalagmiten wuchsen aus dem Höhlenboden, ragten als phantastische, kegelförmige Säulen hoch in die Luft. Hinter ihnen glänzten aufgehäufte Schätze, Gold und Schmuckstücke und Zaubererspielzeug, Bücher und Kelche und Gemmen, alle mit dem Zeichen ihres früheren Besitzers.
    Leichter Schwefeldunst hing in der Luft, und Lilias lachte aus tiefem Herzen.
    »Calandor!«
    »Liliasssss.«
    Einer der Stalagmiten bewegte sich, dann ein anderer, der gleich weit entfernt stand. Etwas kratzte über den Höhlenboden. Riesige
Klauen krallten sich in Stein, und eine bronzefarben geschuppte Brust schob sich wie der Kiel eines mächtigen Schiffes ins Bild. Hoch oben erhellte eine schweflige Stichflamme das gewölbte Höhlendach. Tanaros trat einen Schritt zurück und griff unwillkürlich nach seinem Schwertgriff, dann blieb er stehen, als der Drache seinen sehnigen Hals vorbeugte und die Schuppen im schwachen Licht des Höhleneingangs schimmerten.
    »Tanaross Caverosss.«
    Die mächtigen Kiefer

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