Elegie - Herr der Dunkelheit
seinem linken Arm zurecht und bot ihr in einer Geste, die halb aus der Erinnerung an den altorianischen Hof zu stammen schien, seinen rechten. »Kommt, Hohe Frau. Fürst Satoris erwartet uns.«
Dreimal hundert Schritte.
Die Fackeln brannten heller, als sie den Saal durchschritten, und blauweiße Flammen zuckten auflodernd. Die Mørkhar-Fjel gingen jeweils zu zweit links und rechts neben ihnen her. Sie waren ein beeindruckender Anblick in ihren intarsiengeschmückten Waffenharnischen, die wie Quecksilber schimmerten.
Vor ihnen der Thron, der immer höher aufzuragen schien, je näher sie kamen, und wie stets saß die Dunkelheit auf ihm. Einst schön, wirklich schön. Nun nicht mehr. Ein Geruch hing in der Luft wie der kupfergeschwängerte Gestank von Blut, nur noch süßer. Das Band, das Tanaros’ Herz umschloss, brannte; Cerelindes Fingerspitzen bebten auf seinem Unterarm und versetzten all seine Nerven in Anspannung. Direkt unterhalb des Thronsaals lag die Brunnenkammer, und darunter befand sich die Quelle. Cerelinde wirkte in dem eigentümlichen Licht des Saales, als sei sie aus Elfenbein geschnitzt.
»Tanaros.«
Er holte tief Luft und fühlte, dass sich seine angespannten Nerven beruhigten, als die grollende Stimme des Schöpfers erscholl. »Fürst Satoris!« Die Verbeugung kam wie von selbst, geschmeidig, eine gern dargebrachte Ehrenbezeugung. Er ließ Cerelindes Arm los und setzte den Helm auf die Stufen. »Der Sieg ist unser. Hier gebe ich Euch den Schattenhelm zurück und bringe Euch die Hohe Frau Cerelinde von den Riverlorn, die Verlobte des Aracus Altorus.«
In der Düsternis, die das Gesicht des Schöpfers umlagerte, blinzelten die glühenden Augen ein einziges Mal, und eine riesenhafte Hand rührte sich auf der Armlehne des Throns. Seine Stimme erscholl, tief und seidenweich. »Seid willkommen in Finsterflucht, Enkeltochter des Elterrion, Tochter der Erilonde. Eure Mutter war mir bekannt.«
Ihr Kinn fuhr ruckartig empor. Cerelinde mochte mit vielem gerechnet haben, damit jedoch nicht. »Fürst Satoris, ich denke, die Dinge liegen anders. Eure Gastfreundschaft wurde mir mit dem Schwert aufgezwungen, und was meine Mutter betrifft … meine Mutter starb, als sie mich zur Welt brachte.«
»Ja.« Ein einziges Wort, feierlich und markerschütternd tief.»Erilonde, Tochter des Elterrion, Ehefrau des Celendril. Ich erinnere mich noch gut, Cerelinde. Sie starb im Ersten Zeitalter der Gespaltenen Welt. Vor ihrem Tod betete sie zu mir. Daher kenne ich sie.«
»Nein.« Zarte Hände, zu Fäusten geballt. »Ich lasse mich nicht in die Irre führen, Spalter!«
Gelächter, dröhnend und sardonisch. Die Dachbalken des Thronsaals bebten. Die Mørkhar-Fjel, aus praktischen Bedenken besorgt, spähten zu ihnen empor. »Ist das so schwer zu glauben, Kind Haomanes? Es war immerhin meine Gabe … einst jedenfalls. Die Begierde des Fleisches. Fortpflanzung.« Die Luft verdichtete sich mit dem süßen Geruch von Blut und Lust. Satoris’ Augen leuchteten wie Speerspitzen. »Verurteilt Ihr sie deswegen? Viele Frauen haben im Kindbett zu mir gebetet. Ich hätte sie gerettet, wenn ich gekonnt hätte.«
»Warum habt Ihr es dann nicht getan?«
Sie stieß die Worte hervor, klagte ihn an. Tanaros fühlte sich unbehaglich, wie er so zwischen seinem geliebten Gebieter und seiner Geisel stand. Der Schöpfer seufzte lediglich und ließ die Schatten aufwallen.
»Meine Gabe wurde mir entrissen, zerstört von Oronin dem Letztgeborenen, der einen Splitter der Souma in meinen Schenkel trieb. Ich hatte Eurer Mutter nichts anzubieten, und das tut mir leid. Hätte Haomane meine Gabe nicht abgelehnt, als ich sie noch hatte, vielleicht wäre es anders gekommen. Ich bedaure zutiefst, dass es nicht so war. Euer Volk wird deswegen schwinden und sterben, bis Ihr auf ewig aus der Erinnerung Urulats getilgt sein werdet.«
Cerelinde sah ihn unsicher an. »Ihr lügt, Fürst Weltenspalter.«
»Schwindet nicht die Zahl der Ellylon?«
»Doch.« Sie hielt seinem Blick stand, wozu nur wenige Sterbliche in der Lage waren. »Und so wird es weitergehen, bis Ihr Euch fügt oder die Prophezeiung erfüllt wird. Haomane hat es geschworen.«
»Haomane«, sagte der Schöpfer nachdenklich und nahm den Koffer mit dem Helm vom Sockel des Throns auf. »Mein Älterer Bruder, der Gedankenfürst. Habt Ihr nicht das Gefühl, dass er ein wenig treusorgender Vater seiner Kinder ist, Frau Cerelinde?«
»Nein.« Sie starrte gebannt auf seine dunklen Finger, wie
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