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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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bedeckte das Gesicht mit beiden Händen. Hätte sie weinen können, sie hätte es getan, aber die Ellylon konnten nur Tränen über das Leid anderer vergießen. Ein Sturm des Entsetzens wütete in ihrem Herzen und in ihrem Verstand. Nach fünftausend Jahren Weigerung hatte sie nachgegeben und sich in ihr Schicksal gefügt. Ein Augenblick des Glücks, eine Ewigkeit der Trauer. Das war doch genug, gnädige Arahila! War das nicht genug?
    Das hier hätte nicht geschehen dürfen.
    »Aracus«, flüsterte sie.
     
    Der Morgen graute über dem Delta, und mit dem Licht kamen auch Schwärme von Mücken. Sie waren gnadenlos, senkten sich in dunklen Wolken und ließen sich auf schweißnasser Haut nieder, die ohnehin schon in der Hitze kribbelte, nahmen ihr Quäntchen Blut und ließen juckende Schwellungen zurück. Turin wedelte erfolglos mit den Armen und fluchte.
    Es spielte keine Rolle.
    Nichts spielte mehr eine Rolle. Mantuas, der gewitzte, großmäulige Mantuas war tot, ertrunken in einem Sumpfloch, das ihn verschlungen hatte. Es war alles so schnell gegangen. Selbst Hunric, der sogar in einem stakkianischen Schneesturm den richtigen Weg fand, hatte es nicht kommen sehen. Sie hatten nichts tun können,
gar nichts. Auf ihren Bäuchen waren sie herangerobbt und hatten ihm Äste hingestreckt: Mantuas, halt dich fest, halt dich fest! Er aber konnte seine Arme nicht aus dem Sumpf befreien und nur noch verzweifelt mit den Augen blinzeln, als der Schlamm schließlich auch seine Nasenlöcher bedeckte. Er versank schnell. Turin hatte sich abgewandt, als die sumpfige Brühe seine Augen erreichte. Als er sich wieder hinzusehen traute, lagen nur noch einige Haarsträhnen auf dem blubbernden Schlamm.
    Leb wohl, Mantuas.
    Wie gut, dass sie die Pferde freigelassen hatten.
    Fürst Satoris war darüber vielleicht erzürnt, aber er hätte es wissen müssen. Dies war der Ort, der ihn hervorgebracht hatte. War er einst schön gewesen? Hunric sagte, in den alten Geschichten der Fährtensucher würde davon berichtet. Nun, jetzt war es ein übler Ort. Der ganze Schlamm und Gestank, der den Verdin verschmutzte, kroch direkt aus dem übel riechenden Herzen des Deltas.
    »Halt.« Vor ihm blieb Hunric stehen und stieß einen langen Stab, den er von einem Mangrovenbaum geschnitten hatte, ins Wasser. »In Ordnung. Komm hier herüber.«
    »Ich komme.« Turin folgte ihm und kämpfte sich durch hüfthohes Wasser am Rand eines Mangrovenbüschels entlang. Seine voll Wasser gelaufenen Schuhe saßen wie Blei an seinen Füßen und rutschten auf den glitschigen, knotigen Wurzeln weg, die sich aus dem Sumpf erhoben. Nur die Angst vor Schlangen bewog ihn dazu, sie nicht auszuziehen. Nur wenige Fuß entfernt sah ihn eine Eidechse an, die sich sonnte, und plötzlich glitt sie auf ihn zu und fuhr ihre blaue Zunge aus. »Gah!« Turin fuhr zurück und versuchte mit den Armen das Gleichgewicht zu halten, als sein schwerer Rucksack ihn auf den Rücken zu werfen drohte.
    »Ganz ruhig!« Hunric packte seine Hand und hielt ihn fest. »Es ist doch bloß eine Eidechse, mein Junge. Die tut dir nichts.«
    »Ist gut, ist gut, es geht schon wieder!« Turin kämpfte seine Angst nieder und schüttelte die Hand des Fährtensuchers ab. War seine Ausrüstung noch an ihrem Platz? Ja, sein Schwert war noch da, seitwärts an sein Bündel geschnürt. Er griff hinter sich und fühlte
die beruhigende Menge an Nahrung, die sie bei sich trugen. In seinem Gepäck ruhten auch die Goldmünzen, ein Geschenk von Fürst Vorax, das in dieser Gegend völlig nutzlos war. Wenn Arahila ihnen gnädig war, dann lagen auch die Haferkuchen noch unversehrt in ihrem Ölpapier, und sie würden nicht gleich verhungern. »In Ordnung. Gehen wir weiter.«
    »Hier.« Hunric holte eine Handvoll Schlamm vom Boden des Sumpfes empor. »Schmier dir das auf die Haut. Das hält die Mücken ein wenig ab.«
    Er stieß die ausgestreckte Hand weg, und Schlamm tropfte herunter. »Ich will das Zeug nicht an mir haben.«
    »Turin.« In der Stimme des Fährtensuchers schwang ein Hauch Verzweiflung mit. »Mach es nicht noch schwerer. Es tut mir leid um Mantuas, wirklich. Ich kenne das Terrain nicht, und das Delta ist gefährlicher, als ich dachte. Ich tue mein Bestes.«
    »Hunric?«
    »Ja?«
    »Sie kommen nicht, oder?« Turin schluckte schwer. Es war schwer, die Worte über die Lippen zu bringen. »Hauptmann Carfax, die anderen … du hast die Bäume gezeichnet und den sichersten Weg markiert, seit Mantuas starb. Ich habe dich

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