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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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abgestandene Wasser auf. Im zuckenden Fackelschein sah ihm Vorax dabei zu, ohne ihm seine Meinung aufzudrängen. So war es immer, und so sollte es auch sein. Es stimmte, dieser hier war einer für ihn, einer der Seinen. Er blieb vor dem Gefangenen stehen und sah ihm in das zerschlagene Gesicht. »Du weißt, wo du dich
befindest? Das hier ist Finsterflucht, mein Junge. Die ganze Welt jenseits dieser Mauern ist unser Feind. Wenn du Fürst Satoris die Treue schwörst – denn er ist es, dem du dienen wirst, nicht ich –, dann wird sie auch dein Feind sein. Dein Name wird da draußen wie Gift sein, ein Symbol für den schlimmsten Verrat, den ein Mann begehen kann.«
    »Ja, Heerführer.« Speros zog die Ketten straff. »Das weiß ich.«
    »Warum dann?«
    Nur ein Zoll Abstand war noch zwischen ihnen; obwohl er gefesselt war, hätte Speros doch zurückzucken können. Er tat es nicht, sondern ballte stattdessen in den Handschellen seine Fäuste. Blut rann in dicken Tropfen von seinen verletzten Fingerspitzen und traf mit einem leisen, platschenden Geräusch auf das Wasser am Boden. »Müsst Ihr das fragen?«
    Tanaros nickte. Er konnte die eiternden Wunden des Gefangenen riechen.
    »Ja.«
    »Ich bin es leid, für meine Sünden zu bezahlen.« Speros lächelte angespannt und bitter. »Ich habe es nie darauf angelegt, ein Dieb und Mörder zu werden, aber es ist seltsam, wie es im Leben manchmal läuft. Wenn du einmal genug Fehler gemacht hast, dann kommt irgendwann ein Tag, an dem niemand es noch einmal mit dir versuchen will. Arahila mag vergeben, Heerführer Schwarzschwert, aber ihre Kinder tun es nicht. Ich habe es satt, sie um Vergebung anzuflehen. Fürst Satoris nahm Eure Dienste an. Wieso nicht auch meine?«
    War er auch so jung, so trotzig gewesen, damals, vor zwölfhundert Jahren? Ja, dachte Tanaros. Er war auch so gewesen. Achtundzwanzig Jahre alt, gejagt und vom ganzen Reich gehasst. Königsmörder hatten sie ihn genannt. Gattinnenmörder, hatten einige geflüstert. Hahnrei. Schlächter. Er hatte sich nach dem Tod gesehnt. Dann hatte ein Ruf sein fiebriges Hirn erreicht und ihn nach Finsterflucht geführt.
    Dennoch schüttelte er den Kopf. »Du bist jung und zornig auf die Welt. Das vergeht.«

    Die braunen Augen glitzerten. »So wie bei Euch?«
    Tanaros schenkte ihm ein leises Lächeln. »Zorn ist nur der Anfang, Mittländer. Er genügt nicht als Selbstzweck.«
    »Was dann?« Speros hob seine Ketten, nahm aber für keine Sekunde den Blick von Tanaros’ Gesicht. »Sagt es mir, Heerführer, und ich werde Euch antworten. Warum dient Ihr ihm? Für Gold und Ruhm, wie die Stakkianer? Aus gedankenloser Treue, wie die Fjeltrolle?«
    Vorax, der noch auf dem Hocker saß, räusperte sich. Tanaros warf ihm einen Blick zu.
    »Der Handel der Stakkianer gewährt auf Kosten weniger Frieden und Wohlstand für viele«, sagte er. »Und die Fjel sind nicht so gedankenlos, wie du glaubst.«
    »Trotzdem, das ist keine Antwort«, erwiderte Speros. »Nicht Eure Antwort.«
    »Nein.« Tanaros sah ihm direkt ins Gesicht. »Ich diene meinem Herrn Satoris, weil ich mich in seinem Herzen zum Feind seiner Feinde erklärt habe. Weil ich die Heuchelei und Feigheit der Sechs Schöpfer verabscheue, die sich ihm entgegenstellen. Weil ich die Tyrannei der Gewissheit verabscheue, mit der Haomane der Erstgeborene die ganze Welt zu beherrschen strebt und seine Kinder über alle anderen erhebt.« Seine Stimme wurde streng. »Gib dich keinen falschen Vorstellungen hin, mein Junge. Viele Jahre wünschte der Fürst nichts weiter, als ungestört zu leben, aber große Taten werfen ihre Schatten voraus. Hier und jetzt sage ich dir das eine: Wenn du dich verpflichtest, in Fürst Satoris’ Dienst zu treten, dann erklärst du dich damit zum Feind des Gedankenfürsten höchstselbst und zum Beteiligten an einer Schlacht, in der die Welt aufs Neue gestaltet werden wird.«
    Der Gefangene grinste mit seinen gesprungenen, geschwollenen Lippen. »Die Welt, wie ich sie bisher kennengelernt habe, gefällt mir nicht besonders, Heerführer. Das, was Ihr da schildert, klingt nach einer Sache, für die ich nur allzu gern streiten werde.«
    »Haomanes Zorn ist etwas Furchtbares«, gab Tanaros zu bedenken.

    Speros zuckte die Achseln. »Der Zorn meines Alten war das auch.«
    Es war die Antwort eines Jungen, nicht die eines Mannes, und dennoch ließ das Glitzern in den Augen des Mittländers erahnen, dass er damit absichtlich trotzig klingen wollte. Wider besseres Wissen musste

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