Elena - Ein Leben für Pferde
»Stadt« Altenburg, in der sie nun zur Schule ging, war aus Maxis damaliger Sicht kaum mehr als ein Kuhdorf gewesen.
Doch seit damals hatte sich eine Menge verändert. Das Landleben hatte einiges auf der Plus-Seite zu verbuchen: Ihre Eltern waren nun selbstständig und mussten keine Wochenendschichten in der Werbeagentur mehr schieben. Sie hatte Vic und Carolin kennengelernt. Und dann war da natürlich noch jemand, der ihr Herz erobert hatte und ohne den sie sich das Leben nicht mehr vorstellen konnte. Maxi dachte an seine großen, dunklen Augen hinter den langen braunen Ponyfransen, in denen ein paar rötliche Strähnen leuchteten. Er hatte so eine Ruhe an sich, so eine fröhliche Gelassenheit, dass es einfach unmöglich war, in seiner Gegenwart schlecht gelaunt zu sein.
»Maxi, huhu!!!«
»Was denn?«
»Nichts, außer dass du nur sinnlos vor dich hin grinst, anstatt mir auch mal zu antworten. Vielleicht hilft es ja, wenn ich dir sage, dass Vic genauso in der Nase bohrt wie andere Menschen auch?«
»Erstens: Das fällt unter zu viel Information. Und zweitens: Grade eben hab ich nicht an Vic gedacht, sondern an Ringo.«
»Ach so.« Wenn Maxis verklärter Blick dem Islandpferd galt, für das die beiden gemeinsam sorgten, war das natürlich was anderes. Carolin hatte für Pferdeverrücktheit wesentlich mehr Verständnis als für Jungs-Verrücktheit, selbst wenn es dabei um ihren Bruder ging. »Dann sind wir ja schon beim Thema. Ich sagte, ich fahre dann mal raus zu Ringo und mach einen kleinen Ausritt. Bleibt’s bei der Reitstunde?«
»Klar. Ich komme nach, sobald ich hier fertig bin.«
»Die Trikots sind da!«, erklang plötzlich die sich überschlagende Stimme von Lexi, der jüngsten und kleinsten Cheerleaderin. Zu sehen war allerdings nur ein riesiger brauner Karton, der auf zwei dünnen Beinen über den Leichtathletik-Platz gestolpert kam. »Sie sind da!«, quietschte es wieder. »Sie sind da!«
Die anderen Mädchen liefen ihr entgegen und Lexi ließ erschöpft den Karton mitten auf der Laufbahn zu Boden fallen. Rund um sie entstand innerhalb von Sekunden ein aufgeregtes Gedränge und Geschubse. Die Kartonflappen wurden zurückgeschlagen und kleine orange-schwarz gestreifte Röckchen und Tops in die Höhe gehalten.
»Die Tiger-Trikots sind da!«, rief nun auch Maxi begeistert. »Komm, sehen wir sie uns an!«
»Nein, danke!« Carolin verdrehte nur kurz die Augen. »Ich bin schließlich nur als Touristin hier. Es ist bei mir genetisch einfach nicht veranlagt, wegen ein bisschen Polyamid-Elastan auszuflippen.«
Lexi winkte aufgeregt zu ihnen herüber. Sie hatte Maxi irgendwann zu ihrer neuen Ikone erklärt und betete den Boden an, auf dem sie lief oder vielmehr hüpfte und ihre Poms schwang.
»Das ist bei deinem jugendlichen Fan da drüben offenbar anders«, fügte Carolin noch hinzu.
»Snob«, grinste Maxi und lief los, zu den anderen »Barbies«. »Ich muss zusehen, dass ich mein Kostüm kriege. Bis später dann!«
»Bis später!«
»Ob ich mich an meinen ersten Kuss erinnern kann?« Verblüfft sah Stella ihre Tochter an.
»Pssssssssst!« Maxi sah sich um, als erwarte sie Spione in jeder Ecke. »Nicht so laut! Das muss man ja nicht bis ins Dorf hören!« Vor allem wollte sie nicht, dass ihr Vater mithörte, der kriegte immer so einen wachsamen Blick, wenn es um Jungs ging – im Zusammenhang mit seiner Tochter.
»Ja, ja schon gut.« Stella hatte ihre Stimme gesenkt. »Klar kann ich mich erinnern. Es war nach der Tanzstunde. Der Typ, mit dem ich zur Tanzschule ging, hat mich nach Hause gebracht. Und da, im Mondenschein …« Sie grinste vielsagend.
»Wart ihr denn richtig zusammen?«
Maxis Mutter zuckte mit den Schultern. »Darüber gingen die Meinungen auseinander.«
»Wessen Meinungen?«
»Seine und meine.«
Maxi sah ihre Mutter groß an. »Was soll das denn heißen?«
»Na ja, ich hatte in der Schule durchsickern lassen, dass ich einen geheimnisvollen Freund hatte, um mich für den Tanzschultypen interessanter zu machen.«
Ich bin also erblich belastet, dachte Maxi. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie nämlich auch Carolin gegenüber die Tatsachen ein klein wenig verdreht, was ihre Erfahrungen mit Jungs anging. »Und das hat funktioniert?«
»Schon. Aber ich hab die Bedeutung des Kusses wohl ein bisschen überschätzt und mit meinem imaginären Freund Schluss gemacht. Nur um zu erfahren, dass Mr Walzerkönig selbst eine Freundin hatte, nur leider eine echte.« Stella seufzte. »Es
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