Elena – Ein Leben fuer Pferde
aus der Turnhalle in die Mädchenumkleideräume zu schleichen. Obwohl es fette Hinweisschilder gab, man solle seine Wertsachen in den Spinden einschließen, taten das nur die wenigsten Schüler. Auch Ariane hatte ihre Tasche einfach nur mit ihren Klamotten an einen der Haken gehängt.
Aus der Turnhalle hörte ich gedämpfte Stimmen und Rufe, das Quietschen der Turnschuhe auf dem Hallenboden und hin und wieder einen Pfiff. Mit klopfendem Herzen durchwühlte ich Arianes Tasche und fand das iPhone. Ich hatte so ein Gerät zwar schon gesehen, aber noch nie in der Hand gehabt und brauchte eine Weile, bis ich kapierte, wie man es bediente. Ariane hatte es mit einem Passwort geschützt, aber glücklicherweise besaß sie nicht viel Fantasie – es war ihr Geburtsdatum, das ich von früher kannte, als sie mich noch zu ihren Geburtstagsfeiern eingeladen hatte.
Meine Finger zitterten, während ich die Fotos anklickte, und ich zuckte zusammen, als Tim mir plötzlich entgegengrinste. In dieser Sekunde glaubte ich, die Welt müsse untergehen. Ariane hatte nicht gelogen! Die Tränen schossen mir schmerzhaft in die Augen. Da saß mein Freund breit grinsend zwischen Laura und Ariane und schien es klasse zu finden, dass die beiden ihn von links und rechts gleichzeitig auf die Backen küssten. Schluchzend blätterte ich die Fotos weiter. Ariane hatte Tim zig Mal fotografiert: auf der Stallgasse, auf dem Pferd, mit seiner Mutter, mit anderen Leuten. Das Gefühl, von Tim belogen worden zu sein, nahm mir den Atem. Ich war wie gelähmt. Es ist einfach grässlich bei uns, hallte seine Stimme in meinem Kopf. Dauernd sind diese blöden Weiber um mich herum.
Das hatte sich für mich so angehört, als ob es ihm nicht gefiel, und diese Erkenntnis hatte mich ein wenig beruhigt. Auf diesen Fotos sah das aber völlig anders aus. Tim als Hahn im Korb, der Arianes Aufmerksamkeit in vollen Zügen zu genießen schien!
Plötzlich hörte ich Schritte und erwachte aus meiner Erstarrung. Bevor ich das iPhone zurück in Arianes Tasche stecken konnte, erschien in der Tür des Umkleideraums einer der anderen Sportlehrer. Ich erschrak so sehr, dass mir das Gerät aus der Hand rutschte und auf den Boden fiel.
»Geht es dir nicht gut?«, erkundigte sich der Lehrer besorgt. Mit meinem verheulten Gesicht sah ich wahrscheinlich echt krank aus. Verdammt! Wenn jemand herausfand, dass ich in Arianes Tasche und ihrem Handy herumgeschnüffelt hatte, würde ich ein ernsthaftes Problem bekommen, vielleicht sogar einen Eintrag ins Klassenbuch. Ariane würde sofort schnallen, weshalb ich das getan hatte, und dann war ich geliefert!
»Ich hab Bauchweh«, log ich geistesgegenwärtig. »Ich wollte meine Mutter anrufen, damit sie mich abholt, aber sie geht nicht dran.«
Ich bückte mich nach dem Telefon und stellte entsetzt fest, dass sich ein fetter Sprung quer über die Glasscheibe des Displays zog. Auch das noch! Der Sportlehrer hatte keine Ahnung, dass das Telefon nicht mir gehörte, deshalb stopfte ich es schnell zurück in Arianes Tasche und stand auf.
»Ich gehe wieder rein«, flüsterte ich mit Leidensmiene. »Vielleicht erreiche ich sie später.«
Er betrachtete mich prüfend und nickte dann.
Ich ging mit wackeligen Knien in den Flur und weiter Richtung Turnhalle und betete innerlich, dass er nicht mit in die Turnhalle latschen und dadurch die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich lenken würde. Wenn Ariane erst feststellte, dass ihr Telefon einen Sprung hatte, würde sie eins und eins zusammenzählen und sich daran erinnern, dass ich draußen gewesen war. Vielleicht würde sie zur Polizei gehen! Ariane und ihren blöden Eltern war alles zuzutrauen. Warum hatte dieser Idiot von Sportlehrer auch genau in dieser Minute in den Umkleideraum schauen müssen? Hätte er mich nicht halb zu Tode erschreckt, wäre mir das Telefon nicht runtergefallen und alles wäre okay. Jetzt war mir nicht nur mehr wegen Tim zum Heulen zumute. Ich hatte etwas wirklich Doofes getan, und ich ahnte, dass das noch üble Konsequenzen haben könnte.
Ich rannte nach dem Sportunterricht direkt zum Bus und fuhr nach Hause. Meine Eltern waren so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt; ihnen fiel gar nicht auf, dass ich laut Stundenplan eigentlich erst eine Stunde später ausgehabt hätte.
Wie meistens aßen wir auch heute in der Gaststätte bei Oma, die jeden Mittag für Opa, unsere Familie, Liam, Stani und Heinrich kochte.
Christian war mal wieder außer sich vor Zorn. Bei SchülerVZ
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