Elena – Ein Leben fuer Pferde
gehört, Dr. Kertéczy.«
»Oh, bitte sag Lajos zu mir!« Lajos grinste und wandte sich dann an mich. »Wir wär’s, Elena, magst du dir mal meinen Neuzugang anschauen?«
Ich nickte, und wir folgten ihm in den kleinen Stall, in dem es nur vier Boxen gab. Lajos öffnete die Tür einer Box, in der ein dunkelbraunes Pferd stand, das sofort unfreundlich die Ohren anlegte.
»Das ist ein Traberhengst aus Frankreich. Er war ein Champion und hat viele Rennen gewonnen, aber plötzlich wurde er nur noch Letzter«, erklärte er und wandte sich an Tim. »Die meisten Pferde, die zu mir kommen, waren vorher in zig Kliniken. Ich bin sozusagen ihre letzte Chance.«
»Und was fehlt ihm?«, erkundigte Tim sich.
»Tja, ich weiß es noch nicht genau.« Lajos wiegte nachdenklich den Kopf. »Er geht nicht richtig lahm. Röntgenologisch ist alles in Ordnung, er hat auch keine ausgerenkten Wirbel, aber er frisst schlecht, ist aggressiv und in einer körperlich schlechten Verfassung.«
Tatsächlich hatte das Pferd ein raues Fell, die Rippen und die Hüftknochen standen deutlich hervor. Wir schauten uns noch die anderen Pferde an, dann zeigte Lajos Tim den Rest des Hofes. Danach setzten wir uns auf die Veranda, tranken Limo, und Tim aß mit Heißhunger von dem Kuchen, den Lajos selbst gebacken hatte.
Ich hatte keinen Appetit. Tim und ich saßen auf der Bank dicht nebeneinander, und das war so aufregend, dass es mir den Magen zuschnürte. So hätte es immer und ewig bleiben können! Ich seufzte zufrieden. Direkt vor uns lag der Waldsee, er schimmerte freundlich und blau im hellen Sonnenlicht. Die Vögel zwitscherten in den Bäumen ringsum und tiefer im Wald rief ein Kuckuck. Ich hörte nur mit einem Ohr zu, was Lajos und Tim sprachen.
»… wenn er Kohle hätte, würde mein Vater noch eine zweite Reithalle bauen«, sagte Tim gerade. »Und jetzt hat er tatsächlich jemanden gefunden, der richtig Geld lockermachen will.«
»Dieser Gasparian?«, fragte ich, und Tim nickte.
»Er war vor ein paar Tagen wieder bei uns, aber mein Vater hat ihm abgesagt«, sagte ich zu Tim. »Mein Bruder ist fast ausgerastet. Er hat sich wohl schon in einem schicken neuen Lkw zum Turnier brausen sehen.«
»Dafür hab ich den Kerl mit seinem schmierigen Kumpel jetzt am Hals.« Tim schnaubte. »Die hatten mir noch gefehlt.«
»Über wen sprecht ihr?«, erkundigte Lajos sich. Abwechselnd erzählten wir ihm von dem reichen Armenier, der einen Hof in der Nähe suchte, um dort Geld zu investieren.
»Papa will selbstständig bleiben und nicht für Armenien reiten«, schloss ich. »Lieber lässt er ein paar Boxen leer stehen.«
»Meinem Vater ist das alles egal«, entgegnete Tim düster. »Gestern Abend sind sie sich wohl einig geworden, denn wir fahren am Wochenende nach Stuttgart, um einen Lkw auszusuchen. Außerdem will Gasparian einen ganz neuen Stalltrakt auf dem Sonnenhof bauen. Als ob wir nicht schon genug Boxen hätten!«
Tim verdrehte die Augen. Ich wusste, dass er zu Hause wie ein Angestellter arbeiten musste, und das für weniger als ein Taschengeld. Sein Vater war eigentlich Pferdehändler, und wenn noch spätabends Kundschaft kam, musste Tim die Pferde vorführen.
»Mein Vater ist so wild darauf, mit dem Typ Geschäfte zu machen, dass er nicht mal mit der Wimper gezuckt hat, als der Übersetzer gesagt hat, sie wären vorher bei euch gewesen und dem Dicken habe der Amselhof eigentlich besser gefallen.« Tim musste grinsen. »Der Hof habe ›Charme‹ und ›Flair‹ und eine viel schönere Lage. Das hat meinen Alten tierisch gewurmt.«
Er lachte leise, aber es klang nicht besonders fröhlich.
»Ein paar Boxen mehr könnte ich zwar auch dringend gebrauchen«, sagte Lajos, »aber ich kann Micha verstehen. Ich wollte mich auch nicht in so eine Abhängigkeit begeben.«
Genau in dieser Sekunde hatte ich einen Geistesblitz.
»Wieso kommst du nicht zu uns auf den Amselhof?«, schlug ich Lajos vor. »Wir haben mehr als genug Platz für dich und deine Patienten, und Papa und Mama hätten wieder ein paar Boxen vermietet. Außerdem haben wir Robbie. Der ist besser als jede Alarmanlage. Da schleicht kein Pferdedieb heimlich in den Stall.«
Lajos und Tim blickten mich überrascht an. Für einen Moment war es ganz still.
»Daran habe ich überhaupt noch nie gedacht.« Lajos legte die Stirn in Falten, aber dann erschien ein breites Lächeln auf seinem Gesicht. »Mensch, das ist die Idee!«
Er sprang auf und warf dabei fast den kleinen Tisch um; Tim und
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