Elena – Ein Leben fuer Pferde
denken. Vielleicht lachten sie jetzt über mich, freuten sich, weil sie mich los waren!
»Was wolltest du mit Arianes iPhone?«, fragte der Polizist.
Ich zitterte am ganzen Körper, es war kalt und ich fror. Wo waren Mama und Papa? Warum waren sie nicht mitgekommen? Der Polizist drehte die Lampe so, dass sie mir direkt ins Gesicht leuchtete. Ich zwinkerte und blinzelte. Wenn ich jetzt zugab, dass ich mir die Fotos von Tim angeschaut hatte, dann würden es alle erfahren, alle – Ariane, Christian, meine Eltern.
»Genauso stur wie ihr Vater!« Plötzlich erkannte ich Richard Jungblut und mir wurde vor Schreck ganz kalt. Was zum Teufel tat der hier auf der Polizeiwache? Er grinste spöttisch.
»Im Gefängnis ist es nicht besonders nett für kleine Mädchen.«
»Ich will nicht ins Gefängnis!«, rief ich. »Ich hab doch gar nichts gemacht! Bitte, ich will nicht ins Gefängnis!«
Jemand ergriff mich an den Schultern und schüttelte mich.
»Nein!«, schrie ich voller Panik. »Ich will nicht! Bitte keine Handschellen, bitte nicht!«
»Elena, he, wach auf!«
Christians Stimme drang in mein Unterbewusstsein. Endlich gelang es mir, die Augen zu öffnen. Ich war schweißgebadet und zitterte am ganzen Körper vor Angst. Mein Bruder stand über mich gebeugt an meinem Bett und rüttelte mich an den Schultern. Ich schnappte nach Luft und brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass ich in meinem Bett lag und nicht auf einer Polizeiwache Tims Vater gegenübersaß. Vor Erleichterung fing ich an zu weinen.
»Was hast du denn geträumt?« Christian ließ mich los und sah mich neugierig an. »Du hast was von Gefängnis und Handschellen gefaselt und ich habe deinen Schrei sogar in meinem Zimmer gehört.«
»Ich kann mich nicht dran erinnern«, flüsterte ich beschämt.
Er war wohl der Allerletzte, dem ich das erzählen würde, aber ich war ihm trotzdem dankbar, dass er mich geweckt und damit aus diesem grässlichen Albtraum gerissen hatte. Glücklicherweise hatte ich wohl nicht Tims Namen gerufen, denn das wäre megapeinlich geworden.
»Ich will wieder schlafen«, sagte ich und zog die Decke hoch.
»Von mir aus. Aber halt für den Rest der Nacht die Klappe.« Christian gähnte und stand auf. »Handschellen, also so was!«
Am nächsten Morgen musste ich nicht in die Schule, denn ich durfte mit Papa nach Viernheim fahren, damit ich Fritzi bei seinem ersten Start in einer Springpferdeprüfung der Klasse M zuschauen konnte.
Christian hatte am Frühstückstisch noch ein bisschen wegen meines nächtlichen Albtraums herumgestichelt, aber jetzt war er weg. Ich kontrollierte zum hundertsten Mal mein Handy – keine Antwort von Tim. Gestern Abend hatte ich noch lange mit Melike telefoniert und ihr alles brühwarm erzählt.
»Egal, was passiert«, hatte sie mich beschworen, »du gibst nichts zu! Das wär nämlich echt die Katastrophe hoch drei. Und du rufst Tim erst mal nicht mehr an. Er soll sich bei dir melden.«
Das klang so simpel und Melike hatte sicher recht, aber es war alles andere als einfach. Meine eifersüchtigen Gedanken fraßen mich allmählich auf, und dann lauerte da noch das Gespenst von Arianes kaputtem iPhone.
»Elena!«, rief Mama von unten. »Bist du fertig?«
»In fünf Minuten!«, rief ich zurück und rannte ins Bad. Ich verdrängte die Gedanken an Ariane und das kaputte iPhone. Heute war Fritzis großer Tag! Das zählte mehr als alles andere.
Der Erste, der mir auf dem Turnier über den Weg lief, war Tims Vater. Er stand mit dem dicken Gasparian am Rand des Abreiteplatzes, und mir sackte bei der Erinnerung an meinen Traum das Herz in die Kniekehle. Richard Jungblut beachtete mich allerdings nicht, sein Blick hing wie der aller Zuschauer an Fritzi, der sich großartig präsentierte.
Der Hengst sah toll aus. Sein dunkelbraunes Fell glänzte wie lackiert. Liam hatte ihm die Mähne zu kleinen Zöpfchen geflochten und seine Hufe geschrubbt, sodass sie schneeweiß und ohne einen einzigen Mistfleck waren. Liam stand zwischen den beiden Aufwärmhindernissen auf dem Abreiteplatz und erhöhte sie nach Papas Anweisungen, deshalb hatte ich nichts zu tun.
Die Sonne brannte schon am späten Vormittag heiß vom wolkenlosen Himmel, aber in meinem Innern herrschte kaltes graues Nieselwetter, und vor meinem Auge liefen die Fotos, die ich auf Arianes Handy gesehen hatte, wie in einer Endlosschleife ab. Tim und Ariane, Tim und Laura, Tim, Tim, Tim. Wieso tat er mir das nur an?
Alles war wie immer auf
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