Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elena – Ein Leben fuer Pferde

Elena – Ein Leben fuer Pferde

Titel: Elena – Ein Leben fuer Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
Vom Netzwerk:
einem Turnier: die Pferde mit ihren Reitern, die Pfleger, die geschäftig mit den Pferden zwischen Lkw-Parkplatz und Abreiteplatz hin und her liefen, die Lautsprecheransagen, die über den Turnierplatz schallten, der Traktor, der vor Beginn der Prüfung den Sandboden des Springplatzes glatt zog. Ja, alles war wie immer und dennoch völlig anders. Niemals würden Tim und ich gemeinsam auf einem Turnier sein.
    »Wie viele sind es noch?« Mama trat neben mich an die Umzäunung, über dem Arm hielt sie Papas Jackett, das er kurz vor dem Einreiten überziehen würde.
    »Ich weiß nicht.« Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass die Prüfung schon begonnen hatte.
    »Sag mal, was ist denn eigentlich mit dir los, Mäuschen?«, fragte Mama und warf mir einen ihrer scharfen Röntgenblicke zu. »Hast du Ärger in der Schule?«
    »Nee«, antwortete ich wortkarg. »Mir geht’s nicht so gut.«
    Bevor sie weitere unangenehme Fragen stellen konnte, parierte jedoch Papa vor uns durch und ließ sich das Jackett reichen.
    »Fritzi ist richtig gut drauf.« Er zwinkerte mir zu. »Drück uns die Daumen.«
    »Klar.« Ich zwang mich zu einem Lächeln und klopfte Fritzi den Hals.
    Dann musste Papa in den Parcours. Wir suchten uns einen Platz, von dem aus man einen guten Blick über den Turnierplatz hatte, und Mama zückte die Kamera, denn sie wollte Fritzis ersten großen Auftritt filmen.
    »Am Start ist die Nummer 114, Fritz Power, ein fünfjähriger Hannoveraner Hengst von For Pleasure aus einer Mutter von Grannus-Granit«, sagte der Ansager vom Richterturm aus. »Im Sattel Michael Weiland vom Reitverein Amselhof Steinau.«
    Die Glocke ertönte zum Zeichen dafür, dass der Start frei war. Papa ließ Fritzi angaloppieren. Und dann vergaß ich für 68 Sekunden Tim, Ariane, das iPhone und meinen Albtraum, denn Fritzi sprang wie ein Pferd vom anderen Stern. Mühelos und geschmeidig flog er über die breiten Oxer und hohen Steilsprünge, er ließ sich nicht von dem knallblauen offenen Wassergraben irritieren und machte die fliegenden Wechsel wie selbstverständlich. Durch das spärliche Freitagvormittagspublikum, das vorwiegend aus anderen Reitern, Pferdebesitzern und Pferdekennern bestand, ging bei jedem Sprung ein beeindrucktes Raunen und mir wurde ganz warm ums Herz. Mein Fritzi! Papa hatte ihn schon längst aufgegeben gehabt, aber ich hatte an das schwer verletzte Fohlen geglaubt und es gesund gepflegt. Und nun endlich dieser Triumph! Er beendete den M-Parcours ohne Fehler.
    »Das Ergebnis für die Kopfnummer 114«, schallte es über den Platz. »Eine Wertnote von 9,0 ohne Abzug, damit gleichzeitig Endergebnis!«
    Mama strahlte und umarmte mich. Papa grinste auch, als er Fritzi im Schritt am langen Zügel aus dem Parcours gehen ließ. Liam wartete schon mit Qantas, den Papa als Nächstes reiten würde.
    »Elena!«, rief Papa und saß ab. »Reite ihn noch ein bisschen Schritt.«
    Ich lief zu Fritzi hin, klopfte und herzte mein Pferd und gab ihm ein verdientes Zuckerstückchen. Papa ergriff mein Knie und warf mich in den Sattel.
    »Und?«, erkundigte er sich. »Ist die Besitzerin zufrieden mit ihrem Jockey?«
    »Allerdings!« Ich musste lachen. »Das war echt superklasse!«
    Ich ritt Fritzi im Schritt auf dem Abreiteplatz hin und her, bis der letzte der 52 Starter den Parcours beendet hatte. Niemand hatte mehr eine annähernd so gute Wertnote erhalten, und damit hatte Fritzi seine erste Springpferde-M gewonnen. Auch Qantas und Lancelot waren noch platziert und Papa war bester Laune.
     
    Am Nachmittag hatte ich noch immer keine Antwort von Tim erhalten und meine Freude über Fritzis großartigen Sieg löste sich in Luft auf. Ich hatte Quintano auf der Stallgasse angebunden und flocht seine Mähne ein. Melike reichte mir die Mähnengummis.
    »Tim muss sich jetzt als Erster melden«, sagte Melike, nachdem ich sie zum tausendsten Mal gefragt hatte, was ich denn jetzt tun sollte. »Lass ihn zappeln.«
    »Und wenn er gar nicht zappelt? Vielleicht passt es ihm ganz gut, dass ich mich nicht mehr melde.« Ich ließ die Arme sinken. »Du hättest diese Fotos sehen müssen, Melike! Ausgerechnet diese blöde Ariane. Und ich kann nichts tun!«
    Ich war der Verzweiflung nahe. Das Schlimmste an der ganzen Sache war meine Hilflosigkeit.
    Um mir die Zeit bis zum Abendessen zu vertreiben und nicht zu viel an Tim und Ariane zu denken, flocht ich noch ein paar andere Pferde ein, die morgen mit aufs Turnier gehen sollten. Dann putzte ich Sattelzeug und meine

Weitere Kostenlose Bücher