Elena – Ein Leben fuer Pferde
Stiefel, aber irgendwann war alles erledigt und Melike musste nach Hause.
Gerade als ich den Stall verließ, bog eine silberne Limousine mit einem Pferdeanhänger in den Hof ein und hielt auf dem Parkplatz. Ein Pferd wieherte, es rumpelte. In den vergangenen Wochen und Monaten hatten wir eigentlich nur Leute mit ihren Pferden ausziehen und nicht kommen sehen, deshalb war es etwas Besonderes. Die Fahrerin des BMW stieg aus, setzte die Sonnenbrille ab und blickte sich suchend um. Sie war schlank und rothaarig und sehr elegant angezogen.
»Hallo!«, rief sie und ich blieb stehen. »Kannst du mir sagen, wo ich Dr. Kertéczy finde?«
»Ja, klar. Ich kann ihn holen.«
»Ach, das ist nett. Es wäre gut, wenn er uns beim Abladen helfen könnte.«
Ich nickte nur und sagte nichts. Da hatten Leute eigene Pferde und waren nicht in der Lage, sie allein vom Hänger abzuladen. Unglaublich!
Aber das hatte ich auf dem Amselhof auch schon öfter erlebt.
Die Frau lächelte mich an, dann blickte sie sich um. »Das ist ja ein echtes Paradies! Und wie unglaublich ruhig es hier ist! Unsere Pferde stehen in Dietzenbach, da rauschen alle paar Minuten Flugzeuge über unsere Köpfe.«
Sofort änderte ich meine Meinung über die Frau, auch wenn sie nicht selbst ihre Pferde abladen konnte. Lobesworte für den Amselhof hatte ich in letzter Zeit nur noch selten gehört. Aber zu dieser Jahreszeit war es wirklich besonders schön: Blumen, Büsche und die ersten Kletterrosen an der Reithalle und der Mauer der Gaststätte blühten in verschwenderischer Fülle, die Apfel- und Kirschbäume in Omas Garten hatten sich für einige Tage in wattige weiße und rosa Wolken verwandelt und die Koppeln und Rasenflächen leuchteten sattgrün.
Die Beifahrertür öffnete sich und eine um ein paar Jahre jüngere Kopie der Frau entstieg dem Auto. Die gleiche Frisur, der gleiche blasse Teint mit einer Masse von Sommersprossen. Beigefarbene Reithose, Dressurstiefel, Markensonnenbrille, Acrylfingernägel, Lipgloss. Christian würde ausflippen. Sie entsprach genau seinem Beuteschema.
»Hi! Ich bin Elena Weiland«, sagte ich zu dem Mädchen.
»Ich heiße Ilona Adelmann. Oh, hier ist es echt schön. So ein bisschen wie bei Astrid Lindgren.« Sie blickte sich um, dann musterte sie mich neugierig. »Reitest du auch?«, wollte sie wissen.
»Ja, klar.«
Lajos kam aus dem Stall und begrüßte die Frau und ihre Tochter freundlich.
»Wir sind etwas zu spät«, entschuldigte sich Frau Adelmann. »Aber Wolkentänzer hat sich nicht verladen lassen. Es ist jedes Mal ein Drama, seitdem er im Lkw gestürzt ist.«
»Das ist kein Problem. Fahren Sie am besten hinten an meinen Stall, da kann man auf Sandboden ausladen.«
»Ich kann so schlecht mit dem Hänger rückwärtsfahren«, gab die Frau zu und lachte.
»Dann mache ich das, wenn Sie erlauben, gnädige Frau«, erwiderte Lajos galant.
Beinahe hätte ich einen Lachanfall bekommen, als ich ihn so reden hörte, aber der Frau schien das nicht komisch vorzukommen.
»Hilfst du mir, Elena?«, fragte er mich und ich nickte und machte mich auf den Weg auf die andere Seite des Amselhofs. Der Stall, in dem Lajos’ Patienten untergebracht waren, befand sich auf der rückwärtigen Seite der Reithalle.
Wenig später wusste ich, weshalb Frau Adelmann Hilfe beim Abladen brauchte. Das eine Pferd stand ganz still auf dem Hänger, aber das zweite gebärdete sich wie ein Wildpferd. Es scharrte mit den Hufen, warf sich gegen die Wand und wieherte schrill.
»Früher war er problemlos zu verladen, aber seit diesem Unfall …« Ilonas Mutter schüttelte kummervoll den Kopf.
»Es hat Klaustrophobie, Platzangst«, konstatierte Lajos und überlegte einen Moment.
»Ich gehe in den Hänger und binde ihn los«, schlug ich vor.
»Nein, auf keinen Fall«, entgegnete er. »Geh und hol Liam, bitte.«
Ich sauste los. Liam war nicht im Stall und auch nicht auf dem Platz. Eine Weile lief ich suchend und rufend herum, dann fand ich ihn in der Sattelkammer. Er saß auf dem Hocker an die Wand gelehnt und schlief tief und fest, ja er schnarchte sogar leise vor sich hin. Im ersten Moment musste ich grinsen. Papa hatte neulich zu Mama gesagt, er kenne keinen Menschen, der so schnell und egal wo einschlafen könne wie Liam O’Brien. Das komme wohl daher, dass er jede Nacht bis in die Puppen unterwegs sei. Tatsächlich war Liam mir schon ein paarmal mit dem Auto entgegengekommen, wenn ich morgens zur Bushaltestelle im Ort radelte.
Ich erinnerte mich
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