Elena – Ein Leben fuer Pferde
an meinen Auftrag und klatschte in die Hände. Liam zuckte zusammen und fuhr erschrocken hoch.
»Oh!«, machte er nur und grinste schuldbewusst. »Ich hab nur über was nachgedacht.«
»Klar«, erwiderte ich, »und dabei geschnarcht.«
Ich erklärte ihm, weshalb ich ihn gesucht hatte, und er kam sofort mit hinaus. Gemeinsam luden er und Lajos das tobende Pferd aus. Liam wurde hinterhergezerrt, als Wolkentänzer sich plötzlich in Bewegung setzte und rückwärts die Hängerklappe hinunterschoss.
»Shit!«, rief er. Der Führstrick entglitt seinen Fingern und er fiel hin.
Ich stand ein paar Meter entfernt neben Frau Adelmann und Ilona, und Wolkentänzer kam direkt auf uns zugestürmt.
»Vorsicht!«, rief Frau Adelmann noch, aber ich schnappte mit einer schnellen Bewegung den schleifenden Strick. Das Pferd zerrte auch mich ein paar Meter hinter sich her. Durch den heftigen Ruck flog das Handy aus meiner Jackentasche. Dann blieb das Pferd abrupt stehen und blickte sich zitternd und mit geblähten Nüstern um.
»Ganz ruhig«, sagte ich leise. »Alles in Ordnung. Hoho.«
Ich bückte mich nach meinem Handy. Da kam Robbie um die Ecke. Der Lärm, das Gepolter und die fremden Stimmen hatten ihn wohl geweckt. Sein Anblick veranlasste das Pferd zu einem erschrockenen Satz zur Seite. Es knackte hässlich und mein Handy hauchte sein Leben unter sechshundert Kilo Pferd aus.
»Oje, das tut mir leid!«, sagte Frau Adelmann betroffen.
»Ist nicht so schlimm«, log ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Das war die absolute Katastrophe! Wieso hatte ich auch den Reißverschluss der Tasche nicht zugemacht, bevor ich die Heldin spielte? Liam nahm mir den Fuchs ab und ich sammelte die Reste meines Handys aus dem Sand. Hoffentlich war wenigstens noch die SIM-Karte in Ordnung. Ich stopfte alles in meine Tasche und ging mit gesenktem Kopf in den Stall. In der Putzhalle lief mir Christian über den Weg.
»Sind da gerade die Pferde für Lajos gekommen?«, fragte er mich.
»Ja«, erwiderte ich nur und ging weiter. Manchmal ging einfach alles schief! Hoffentlich war meine Pechsträhne morgen zu Ende, denn morgen würde ich zum ersten Mal mit Quintano auf einem Turnier starten. Und spätestens morgen würde ich auch Tim wiedersehen.
Bevor ich Tim sah, liefen mir Ariane und ihr Vater über den Weg. Sie hatte wohl zum neuen Pferd ein komplett neues Outfit von Papi spendiert bekommen: weiße Reithose, braune Lederstiefel, dazu farblich passend ein braunes Jackett mit einem dunkel abgesetzten Samtkragen und eine braune Kappe. Ausstaffiert wie Reiter-Barbie stolzierte sie an mir vorbei und blickte hochmütig über mich hinweg.
Auch ihr Vater würdigte mich keines Blickes. Nachdem ich im März ganz dreist in sein Büro marschiert und ihm die siebentausend Euro, die er meinem Vater schuldete, abgeknöpft hatte, und das auch noch im Beisein von Tims Vater, war ich für ihn Luft.
Halb hatte ich befürchtet, Ariane würde sich auf mich stürzen, mir eine Riesenszene machen und die Polizei oder zumindest ihren Vater auf mich hetzen, aber nichts geschah. Mir fiel mit Donnergepolter ein Riesenstein vom Herzen, und es störte mich kein bisschen, dass Melike vorhin an der Meldestelle tatsächlich Arianes Namen hinter dem von Con Amore gelesen hatte. Von mir aus konnte sie Shutterfly oder Küchengirl reiten und von Marcus Ehning persönlich trainiert werden, Hauptsache, sie verdächtigte mich nicht, ihr iPhone ruiniert zu haben.
»Da drüben ist Tim!«, zischte Melike plötzlich und packte mich am Arm.
Ich stand seit unserer Ankunft auf dem Turnier unter höchster Anspannung, und als ich Tim nun am Turnierplatz entlang auf mich zukommen sah, setzte mein Herz vor Schreck ein paar Schläge aus.
»Ich gehe den Parcours ab«, sagte ich schnell, machte auf dem Absatz kehrt und sprang über die Umzäunung auf den Reitplatz. Wahrscheinlich konnte ich ihm nicht den ganzen Tag aus dem Weg gehen, denn obwohl es ein großes Turnier war und allein im L-Springen über achtzig Pferde starteten, begegnete man sich zwangsläufig irgendwo. Ich musste mich anstrengen, um Papa zuzuhören, der Christian und mir Tipps gab, wo wir abkürzen und Zeit sparen konnten.
Auf einmal verfinsterte sich die Miene meines Bruders.
»Da ist ja das Jungblut-Arschloch«, knurrte er.
Ich hielt meinen Blick starr auf das Hindernis Nummer 5a gerichtet. In der Nacht hatte ich kaum geschlafen. Vielleicht hatte Tim mir mittlerweile zurückgesimst, aber ich hatte es mangels Handy
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