Elena – Ein Leben fuer Pferde
schräg über den Oxer und hatte damit noch einmal mindestens zwei Galoppsprünge eingespart. Kombination, überbautes Wasser, Steilsprung – alles kein Problem. Wir waren schnell, aber ich hatte den Wallach unter Kontrolle. Vor uns lag nur noch der letzte Oxer, und ich erkannte schon von Weitem, dass ich Quintano einfach nur laufen lassen musste, es würde perfekt passen. Ariane hatte Con Amore an dieser Stelle noch einmal aufgenommen, aber ich ließ mein Pferd galoppieren und wir flogen über den Oxer und durchs Ziel.
»Das war ein fehlerfreier Ritt in einer Zeit von 43,7 Sekunden«, hörte ich den Ansager. »Damit übernimmt die Startnummer 427 die Führung im laufenden Wettbewerb.«
Ich klopfte Quintano zufrieden den Hals und ließ ihn aus dem Parcours traben. Papa erwartete mich am Einritt.
»Das war gut«, sagte er. »Zwar nicht ganz das, was ich wollte, aber es hat geklappt.«
»Papa, er war so super!«, rief ich atemlos. »Auf den letzten Oxer, da hab ich schon von Weitem gesehen, dass es genau passen würde! Wahnsinn!«
Wieder und wieder klopfte ich Quintano den Hals und bemerkte daher nicht den Blick, den Papa und Mama wechselten. Ich lockerte den Sattelgurt und ritt im Schritt um den Abreiteplatz.
»Boah, das war megageil!«, rief Melike strahlend. »Du hast Ariane volle sechs Sekunden abgenommen! Sie kocht vor Zorn!«
Ha! Genau das hatte ich beabsichtigt. Keiner der Reiter, die noch nach mir kamen, schaffte Quintanos Zeit. Auch Christian nicht, obwohl er alles aus Ronalda herausholte. Der Richter heftete in der Siegerehrung die goldene Schleife an Quintanos Trense, mein Bruder gewann die zweite Abteilung und Ariane musste sich mit der silbernen Schleife begnügen. Was für ein Triumph! Plötzlich lachte die Sonne wieder und ich war für ein paar Augenblicke einfach nur richtig glücklich.
Doch schon auf der Heimfahrt holte mich die Erinnerung an meinen Albtraum wieder ein. Ich konnte den Anblick von Tim, wie er seinen Arm um Arianes Schulter legte, nicht aus meinem Kopf verbannen. Es störte mich, dass es ein Foto von den beiden zusammen gab, aber keines von uns.
11. Kapitel
Fritzi sprang am Samstagvormittag ebenso souverän wie am Vortag in der Springpferdeprüfung, die gleichzeitig eine Qualifikation für das Bundeschampionat im September war. Diesmal legten die Richter sogar noch etwas drauf und vergaben eine 9,2 als Wertnote. Während ich Fritzi im Schritt herumritt und auf die Siegerehrung wartete, sah ich den dicken Herrn Gasparian mit Papa sprechen. Wie immer war der andere Mann als Übersetzer dabei. Ich sah, dass Papa lächelte und mehrfach den Kopf schüttelte, und ahnte, um was es bei dem Gespräch ging.
»Das kann er voll vergessen, der dicke Sack«, sagte ich zu Fritzi. »Würd ja noch fehlen, dass er dich kauft und diesem ekligen Richard Jungblut zum Reiten gibt.«
Der junge Hengst schnaubte, als ob er verstanden hätte. Aber nicht nur der Sponsor von Tims Vater betrachtete Fritzi, auch viele andere Zuschauer und Reiter schauten neugierig mein Pferd an, denn eine 9,2 war eine außergewöhnlich hohe Wertnote, die nicht oft vergeben wurde. Das machte mich stolz. Ich hatte immer gewusst, dass Fritzi etwas ganz Besonderes war.
Am Mittag aßen wir zusammen auf dem Turnier. Mama war gekommen und hatte Opa und sogar Lajos mitgebracht, die mich in meinem ersten M-Springen sehen wollten. Melike saß mit glühenden Backen zwischen Lajos und Liam auf der Bank und schmachtete abwechselnd den einen und den anderen an.
»Gasparian hat mir ein Angebot für Fritzi gemacht. Ich habe abgelehnt, aber vielleicht solltest du es dir überlegen, Elena«, erzählte Papa und blinzelte mir zu. »Es war sehr großzügig.«
»Nie im Leben!«, antwortete ich mit vollem Mund. »Außerdem hat Herr Nötzli das Vorkaufsrecht.«
»Das habe ich ihm gesagt.« Papa nickte.
»Alle reden hier über nichts anderes als über Jungbluts Sponsor«, meldete sich Christian zu Wort. »Ich kann das bald nicht mehr hören.«
»Dann hör eben nicht hin«, riet Papa ihm.
Christian schnaubte zornig. Ich wusste genau, was in meinem Bruder vorging. Mindestens zwanzig Mal am Tag musste er auf dem Weg vom Parkplatz zum Turniergelände an dem gigantischen silbernen Ungetüm vorbei, das eine luxuriöse Wohnkabine hatte und Platz für zehn Pferde bot. Richard & Tim Jungblut Showjumping war fett auf alle Seiten lackiert, und das fraß Christian innerlich auf. Er platzte fast vor Neid.
»Sie haben mindestens sieben neue
Weitere Kostenlose Bücher