Elenium-Triologie
das heißt, zumindest die Offiziere. Ihren Gesuchen wurde zwar nicht entsprochen, aber die Ordensritter waren nicht völlig unempfänglich für die Gefühle der verschiedenen Obristen, Hauptleute und Leutnants, die starke moralische Bedenken äußerten, ihre Truppen unter diesen Umständen zu führen. Verständnisvoll entbanden sie diese Offiziere ihres leitenden Ranges und nahmen sie als einfache Soldaten in ihren Streitkräften auf. Dann ließen sie die Rotröcke auf dem großen Platz vor der Basilika Aufstellung nehmen und teilten sie zum Dienst auf der Mauer und an den Toren der Altstadt ein.
»Hat es bei Euch irgendwelche Schwierigkeiten gegeben?« fragte Ulath Tynian, als die beiden sich, jeder an der Spitze eines großen Trupps Rotröcke, an einer Kreuzung trafen.
»Nein. Nur ein paar Entlassungsgesuche.« Tynian zuckte die Schultern. »Ich habe in dem Trupp da lauter neue Offiziere.«
»Ich in meinem auch«, erwiderte Ulath. »Eine Menge alte Sergeanten sind aufgerückt.«
»Vor einer Weile bin ich Bevier begegnet«, sagte Tynian, während sie nebeneinander zum Haupttor der Altstadt ritten. »Ich weiß nicht wieso, aber er hatte dieses Problem offenbar nicht.«
»Der Grund ist doch klar, Tynian.« Ulath grinste. »Es hat sich herumgesprochen, was er mit dem Hauptmann gemacht hat, der uns nicht in die Basilika hineinlassen wollte.« Ulath nahm seinen Helm mit den Ogerhörnern ab und kratzte sich am Kopf. »Ich glaube, was sie am meisten erschreckt hat, war das Beten. Es ist eine Sache, jemandem in der Hitze einer Meinungsverschiedenheit den Kopf abzuschlagen, aber danach für seine Seele zu beten, ist recht ungewöhnlich, nicht wahr?«
»Ja, daran mag es liegen«, pflichtete Tynian ihm bei. Er blickte über die Schulter auf die Soldaten, die sichtlich widerwillig und bedrückt und alles andere als im Gleichschritt in einen möglichen Kampf marschierten. Die meisten waren nicht Kirchensoldaten geworden, um zu kämpfen, und so sahen sie den bevorstehenden Unbequemlichkeiten keineswegs mit Begeisterung entgegen. »Kameraden, Kameraden, so geht das nicht!« rügte Tynian. »Versucht wenigstens wie Soldaten auszusehen . Richtet die Reihen aus und bemüht euch, im Gleichschritt zu marschieren. Wir haben immerhin einen Ruf zu wahren.« Er machte eine kurze Pause. »Wie wär's mit einem Lied, Kameraden?« schlug er vor. »Es wirkt beruhigend auf die Bürger, wenn die Soldaten singend in die Schlacht ziehen. Es kündet von Mut und Tapferkeit und verrät die heldenhafte Verachtung von Tod und Verstümmelung.«
Das Lied, das daraufhin erklang, hörte sich jedoch nicht gerade heldenhaft an; deshalb bestand Tynian darauf, daß die Männer noch einmal von vorn begannen – und dann noch mehrere Male, bis die Töne aus voller Lunge schließlich seinem Verlangen nach Zurschaustellung kriegerischer Begeisterung entsprachen.
Als Sephrenia von dem Anschlag durch den verkleideten Rendorer erfuhr, reagierte sie beinahe gleichmütig. »Ihr seid sicher, daß Ihr kurz vor dem Angriff den Schatten hinter dem Erzprälatenthron gesehen habt?« fragte sie Sperber.
Er nickte.
»Dann stimmt unsere Hypothese also immer noch«, sagte sie zufrieden. Sie betrachtete den kleinen, giftverschmierten Dolch, der auf dem Tisch zwischen ihnen lag. »Nicht gerade die geeignete Waffe gegen jemanden in Panzerrüstung«, bemerkte sie.
»Schon ein Kratzer hätte töten können, kleine Mutter.«
»Wie hätte er Euch kratzen können, so in Stahl gehüllt, wie Ihr wart?«
»Er hat versucht, mich im Gesicht zu treffen, Sephrenia.«
»Dann müßt Ihr Euer Visier geschlossen halten.«
»Würde das nicht lächerlich aussehen?«
»Was ist Euch lieber? Lächerlich auszusehen oder tot zu sein? Hat einer Eurer Freunde den Anschlag gesehen?«
»Kalten war dabei – zumindest gleich danach.«
Sie runzelte die Stirn. »Das ist zu dumm! Ich weiß, daß Ihr gehofft hattet, wir könnten es für uns behalten – wenigstens bis wir mehr wissen.«
»Kalten weiß, daß jemand mich umzubringen versucht – alle wissen es, doch sie glauben, daß Martel dahintersteckt.«
»Dann wollen wir sie in diesem Glauben belassen, nicht wahr?«
»Es ist zu vereinzelter Fahnenflucht gekommen, Hochmeister«, meldete Kalten Vanion, als die Gruppe sich auf der Freitreppe der Basilika sammelte. »Es war unmöglich zu verhindern, daß man in einigen der außerhalb liegenden Kasernen von unseren Unternehmungen erfahren hat.«
»Damit war zu rechnen«, entgegnete Vanion.
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