Elenium-Triologie
werfen, um uns zu schwächen. Wenn er uns für erschöpft genug hält, wird er seine Cammorier und lamorkischen Söldner schicken. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um die Rendorer von der Mauer fernzuhalten. Ich werde mit Kurik reden. Vielleicht fällt ihm was Brauchbares ein.«
Kurik fiel tatsächlich so allerhand ein. Seine langjährige Erfahrung und die Reminiszenzen alter Veteranen, mit denen er hin und wieder zusammengekommen war, brachten ihn auf eine Reihe abgefeimter Ideen, unter anderem die Benutzung von Fußangeln. Es handelte sich dabei um einfache vierzackige Eisen, bei denen – egal, wohin sie geworfen wurden – stets eine Spitze nach oben gerichtet war. Rendorer trugen keine Stiefel, sondern ausschließlich Sandalen aus weichem Leder. In Gift getaucht waren die Fußangeln nicht nur schmerzhaft sondern tödlich. Zehn Fuß lange Balken, in die man zugespitzte Pflöcke steckte, daß sie herausragten wie die Stacheln von Igeln, auch ihre Spitzen mit Gift bepinselt, ergaben fast unüberwindliche Barrieren, wenn man sie in großer Zahl auf langen Stangen hinunterrollte, daß sie am Fuß der Mauer verstreut lagen. Lange Pendel aus Baumstämmen, die parallel zur Mauer von den Zinnen schwangen, würden Sturmleitern wie Spinnweben wegfegen. »Natürlich kann nichts davon schwere Angriffe abwenden, Sperber«, sagte Kurik. »Aber wir können die Angreifer soweit aufhalten, daß die Schützen sie abschießen können und nur wenige die Mauer erreichen.«
»Genau das wollte ich bezwecken«, sagte Sperber. »Setzen wir die Bürger auf die Herstellung der Kriegsgeräte an. Bis jetzt haben sie nichts getan, als herumgesessen und gegessen. Geben wir ihnen die Gelegenheit, sich ihren Unterhalt zu verdienen.«
Die Anfertigung von Kuriks Hindernissen nahm mehrere Tage in Anspruch, in denen es zu weiteren Angriffen der Rendorer kam. Dann verstreuten Hochmeister Abriels Katapulte massenweise Fußangeln vor der Mauer, und die ›Igel‹ rollten die langen Stangen hinunter und blieben als stacheliges Gewirr etwa zwanzig Meter von der Mauer entfernt liegen. Danach stießen kaum noch Rendorer bis zur Mauer vor, und jene, denen es doch gelang, schleppten keine Sturmleitern. Gewöhnlich drängten sie sich nur an die Mauer, brüllten ihre Sprüche und hämmerten mit ihren Schwertern an die Mauer, bis die Schützen an den Schießscharten sie in aller Ruhe abschossen.
Nach mehreren dieser Versuchen ließ sie Martel fast einen Tag lang in Ruhe, um sich eine neue Strategie zu überlegen. Da jedoch noch Sommer war, fingen die Massen toter Rendorer vor der Mauer in der Sonne aufzuschwellen an. Der Verwesungsgestank drang bis in die Altstadt.
Eines Abends nutzten Sperber und seine Kameraden die Ruhepause, sich für ein dringend benötigtes Bad und eine warme Mahlzeit ins Ordenshaus zu begeben. Zuvor jedoch besuchten sie Ritter Ulath. Der hünenhafte Genidianer lag im Bett. Seine Augen waren noch blicklos, sein Gesicht verriet Verwirrung. »Ich werde es müde, nur herumzuliegen, Brüder«, sagte er schleppend. »Und es ist so heiß hier drinnen. Was haltet ihr davon, wenn wir Trolle jagen? Durch den Schnee zu stapfen, könnte unser Blut ein bißchen abkühlen.«
»Er glaubt, er ist im genidianischen Mutterhaus in Heid«, erklärte Sephrenia den Rittern leise. »Er will unbedingt auf Trolljagd gehen. Und er hält mich für eine Dienstmagd und macht mir ständig unschickliche Anträge.«
Bevier schnappte nach Luft.
»Und manchmal weint er«, fügte sie hinzu.
»Ulath?« staunte Tynian.
»Möglicherweise ist es nur eine List. Beim ersten Mal versuchte ich ihn zu trösten, was in einer Art Ringkampf ausartete. Trotz seines Gesundheitszustands ist er sehr stark.«
»Wird er wieder genesen?« fragte Kalten. »Ich meine, wird er seinen Verstand wiederbekommen?«
»Das ist schwer zu sagen, Kalten. Der Schlag hat sein Gehirn erschüttert. Bei solchen Verletzungen kann man nie genaues sagen. Ihr solltet jetzt lieber gehen. Aufregung ist nicht gut für ihn.«
Ulath fing an, eine lange, wirre Rede in der Trollsprache zu halten, und Sperber wunderte sich, daß er sie noch verstand. Der Zauber, den Sephrenia in Ghwerigs Höhle wirkte, hatte seine Kraft offenbar noch nicht verloren.
Nachdem er gebadet und sich rasiert hatte, schlüpfte Sperber in eine Mönchskutte und gesellte sich zu den anderen, die im fast leeren Speisesaal saßen, wo ihr Mahl auf einem langen Tisch angerichtet war.
»Was wird Martel wohl als nächstes tun?«
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