Elenium-Triologie
helfen. Weshalb legt er uns all die Steine in den Weg? Will er den Thron für sich?«
»Ich glaube, er hat ein Auge auf einen größeren Thron geworfen«, erwiderte Vanion. »Der Erzprälat Cluvonus ist alt und sein Gesundheitszustand bedenklich. Es würde mich gar nicht wundern, wenn Annias der Meinung ist, daß ihm die Mitra der Erzprälatur gut stehen würde.«
»Annias? Erzprälat? Vanion, das ist lächerlich!«
»Das Leben ist voll Lächerlichkeiten, Sperber. Alle Ritterorden sind selbstverständlich gegen ihn, und unsere Meinung hat großes Gewicht in der Hierokratie, aber Annias hat beide Hände tief im Säckel von Elenien und ist mit Bestechungsgeldern außerordentlich großzügig. Ehlana hätte ihm den Zugang zu diesem Geld verwehren können, doch sie wurde krank. Das wiederum könnte als Grund dafür herhalten, daß Annias Ehlanas Krankheit höchst willkommen ist.«
»Und er will Arissas Bastard an ihrer Statt auf den Thron setzen?« Sperbers Grimm wuchs von Minute zu Minute. »Vanion, ich habe diesen Lycheas heute kennengelernt. Er ist schwächer – und dümmer – als König Aldreas es war. Außerdem ist er unehelich.«
Vanion spreizte die Hände. »Eine Abstimmung des königlichen Rates könnte sein Recht auf den Thron anerkennen, und Annias beherrscht den Rat.«
»Nicht den ganzen!« knirschte Sperber. »Nach den Buchstaben des Gesetzes bin auch ich Ratsmitglied, und ich könnte die Abstimmung beeinflussen, wenn dieser Punkt je zur Debatte käme. Ein öffentlicher Zweikampf oder auch zwei wären vielleicht ein Mittel, die Meinung der Ratsmitglieder zu ändern.«
»Ihr seid unbesonnen, Sperber«, rügte Sephrenia.
»Nein, ich bin zornig. Ich habe das starke Bedürfnis, mir einige Leute vorzunehmen!«
Vanion seufzte. »Wir können noch keine Entscheidungen treffen.« Dann schüttelte er den Kopf und wechselte das Thema. »Was geht in Rendor denn nun wirklich vor?« fragte er. »Vorens Berichte waren alle sehr vorsichtig abgefaßt, weil ja befürchtet werden mußte, daß sie in die falschen Hände fallen könnten.«
Sperber stand auf. Sein Mantel wallte um die Fußgelenke, als er zu einem der schmalen Fenster ging. Immer noch bedeckten schmutzig graue Wolken den Himmel, und Cimmura schien darunter zu kauern, als mache es sich für einen neuerlichen Winter bereit.
»Es ist sehr heiß dort«, murmelte er wie zu sich selbst, »und trocken und staubig. Die Sonne gleißt auf den weißen Hauswänden und blendet die Augen. Im ersten Tageslicht, noch ehe die Sonne aufgeht, wenn der Himmel wie geschmolzenes Silber aussieht, schreiten verschleierte Frauen in schwarzen Gewändern mit Tonkrügen auf den Schultern stumm durch die Straßen, auf ihrem Weg zu den Brunnen.«
»Ich hatte Euch falsch eingeschätzt, Sperber«, sagte Sephrenia melodisch. »Ihr habt die Seele eines Poeten.«
»Nicht wirklich, Sephrenia. Ich halte es nur für nötig, daß ihr euch Rendor vorstellen könnt, um zu verstehen, was dort vorgeht. Die Sonne prallt wie Hammerschläge auf den Kopf, und die Luft ist so heiß und trocken, daß das Denken schwerfällt. Rendorer suchen einfache Antworten. Die Sonne läßt ihnen keine Zeit zum Nachdenken. Das erklärt vielleicht, was ursprünglich mit Eshand geschah. Ein einfacher Hirte, dessen Gehirn halb ausgedörrt ist, ist nicht gerade das logische Gefäß für irgendeine Art von Gottheit. Ich glaube, im Grund genommen gab die sengende Sonne den Anstoß für die eshandistische Häresie. Diese armen Narren hätten jegliche , selbst die absurdeste Idee aufgegriffen, solange sie ihnen nur die Chance gab, umherzuwandern – und so vielleicht ein bißchen Schatten zu finden.«
»Das ist eine ungewöhnliche Erklärung für eine religiöse Bewegung, die ganz Eosien in einen dreihundert Jahre währenden Krieg stürzte«, bemerkte Vanion.
»Ihr müßt es selbst erleben«, entgegnete Sperber und kehrte zu seinem Stuhl zurück. »Jedenfalls erhob sich vor etwa zwanzig Jahren einer dieser sonnengedörrten Phantasten in Dabur.«
»Arasham?« fragte Vanion. »Wir hörten von ihm.«
»So nennt er sich zumindest«, antwortete Sperber. »Wahrscheinlich wurde er jedoch mit einem anderen Namen geboren. Religiöse Führer neigen dazu, ihre Namen des öfteren zu ändern, um sie den Vorstellungen ihrer Anhänger anzupassen. Soviel ich weiß, ist Arasham ein ungebildeter, nicht gerade Reinlichkeit liebender Eiferer mit wenig Bezug zur Wirklichkeit. Er ist etwa achtzig, sieht Dinge, die niemand sieht, und hört
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