Elenium-Triologie
sie.
»Es tut gut, wieder hierzusein. Ihr habt mir gefehlt.«
»Obwohl ich Euch oft gescholten habe?« fragte sie lächelnd.
»Schelten tut nicht weh.« Er lachte. »Selbst das habe ich vermißt.«
»Ich glaube, bei ihm haben wir unsere Sache gut gemacht, Vanion«, wandte sie sich an den Hochmeister. »Unter uns gesagt, wir haben einen echten Pandioner aus ihm gemacht.«
»Einen der besten«, bestätigte Vanion. »Ich glaube, Sperber verkörpert jene Art von Ritter, wie sie die Gründer des Ordens sich vorstellten.«
Sephrenia nahm unter den pandionischen Rittern eine ungewöhnliche Stellung ein. Nach dem Tod des styrischen Mentors, der die Novizen in den »Geheimnissen« unterwiesen hatte, wie die Styriker es nannten, hatte sie am Tor des Mutterhauses des Ordens in Demos gestanden. Sie war weder erwählt noch gerufen worden, sondern einfach erschienen und hatte die Pflichten ihres Vorgängers übernommen.
Üblicherweise verachteten und fürchteten Elenier Styriker, die ein seltsames, fremdartiges Volk waren, das in winzigen Ortschaften tief in den Wäldern und Bergen lebte. Sie beteten eigenartige Götter an und übten Magie aus. Wilde Geschichten über abscheuliche Riten, bei denen elenisches Fleisch und Blut geopfert wurden, hatten jahrhundertelang unter den leichtgläubigeren Eleniern die Runde gemacht, und hin und wieder fielen blutrünstige Horden betrunkener Landleute in Siedlungen ahnungsloser Styriker ein. Die Kirche verurteilte solche Greueltaten aufs schärfste. Die Kirchenritter, die ihre ausländischen Lehrer kennen und achten gelernt hatten, gingen sogar noch einen Schritt weiter als die Kirche und verkündeten, daß sie jeden Überfall auf styrische Ortschaften umgehend auf strengste Weise bestrafen würden. Trotz dieses organisierten Schutzes mußten Styriker, die eine elenische Ortschaft oder Stadt betraten, damit rechnen, geschnitten, verhöhnt, ja sogar mit Steinen und Unrat beworfen zu werden. Deshalb war Sephrenias Erscheinen in Demos nicht ohne Gefahr für Leib und Leben gewesen. Ihre Motive waren unklar, doch sie war all die Jahre getreu ihren Pflichten nachgegangen, und es hatte nicht lange gedauert, bis die Pandioner sie ohne Ausnahme liebten und achteten. Selbst Vanion, der Hochmeister des Ordens suchte häufig ihren Rat.
Sperber blickte auf das Werk, das vor ihr auf dem Tisch lag. »Ein Buch, Sephrenia?« sagte er mit vorgetäuschtem Staunen. »Hat Vanion Euch doch endlich überredet, lesen zu lernen?«
»Ihr wißt, was ich davon halte, Sperber«, erwiderte sie. »Ich schaue lediglich die Bilder an.« Sie deutete auf den herrlichen Bildschmuck auf der Seite. »Ich hatte schon immer eine Vorliebe für kräftige Farben.«
Sperber zog einen Stuhl heran und setzte sich mit knarrender Rüstung.
»Habt Ihr Ehlana gesehen?« fragte Vanion und kehrte zu seinem Platz auf der anderen Tischseite zurück.
»Ja.« Sperber blickte Sephrenia an. »Wie habt Ihr das gemacht?« erkundigte er sich. »Sie so versiegelt, meine ich.«
»Es ist ziemlich kompliziert.« Sie hielt inne und blickte ihn nachdenklich an. »Aber vielleicht seid Ihr dazu bereit«, murmelte sie. Sie erhob sich. »Kommt hierher, Sperber«, forderte sie ihn auf und trat an den Kamin.
Erstaunt erhob er sich und folgte ihr.
»Blickt in die Flammen, Lieber«, sagte sie sanft und bediente sich der alten Anrede, die ihm noch aus der Zeit seines Noviziats vertraut war.
Gebannt durch ihre Stimme, starrte er ins Feuer. Schwach hörte er sie styrische Worte flüstern, dann strich sie mit der Hand langsam über die Flammen. Ohne sich dessen bewußt zu sein, sank er auf die Knie.
Etwas bewegte sich. Sperber beugte sich vor und starrte gebannt auf die kleinen, bläulichen Flammenzungen, die um den Rand eines verkohlten Eichenklotzes tänzelten. Das Blau weitete sich, wuchs immer mehr, und im Innern dieses leuchtenden Blaus vermeinte er eine Gruppe von Gestalten zu sehen, die mit dem Flackern des Feuers schwankten. Das Bild wurde stärker, und Sperber erkannte, daß er den Meilen entfernten Thronsaal im Schloß vor sich sah. Zwölf gerüstete Pandioner, die ein zierliches junges Mädchen trugen, schritten über den Fliesenboden. Das Mädchen lag nicht auf einer Bahre, sondern auf den flachen Klingen von zwölf glänzenden Schwertern, die von den zwölf schwarz gerüsteten Rittern mit geschlossenen Visieren unerschütterlich gehalten wurden. Vor dem Thron hielten sie an; dann trat die weißgewandete Sephrenia ins Bild. Sie hob eine Hand
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