Elf Arten der Einsamkeit - Short stories
Oberarm, erhob Anspruch auf sie, und bei je- dem Schritt spürte er das leichte Hüpfen ihrer Brüste an der Rückseite seiner Finger. Und der bevorstehende Abend, der ausgebreitet zu ihren Füßen wartete, schien wunder- sam lang und wundersam reich an Versprechungen.
Als er jetzt begann, die Treppe allein hinunterzugehen, empfand er es als stärkend, auf einen eindeutigen Tri- umph zurückblicken zu können – zumindest einmal im Leben hatte er die Möglichkeit des Scheiterns verneint und gewonnen. Andere Erinnerungen stellten sich ein, als er die breite Straße überquerte und die leicht abfallende Zweiundvierzigste Straße entlangging: Auch an jenem Abend waren sie hier gegangen, auf einen Drink ins Biltmore, und er erinnerte sich, wie sie ausgesehen hatte, als sie im Halbdunkel der Cocktaillounge neben ihm saß, sich aus den Hüften vorschob, als er ihr aus den Ärmeln der Jacke half, und sich dann zurücklehnte, ihr langes Haar schüttelte und ihn auf provozierende Weise von der Seite anblickte, als sie das Glas an die Lippen hob. Ein wenig später hatte sie zu ihm gesagt: »Ach, laß uns zum Fluß gehen – ich liebe den Fluß um diese Tageszeit«, und sie hatten das Hotel verlassen und waren zum Fluß gegangen. Auch jetzt ging er dorthin, durch den Lärm der Third Avenue und dann Richtung Tudor City – allein schien der Weg viel weiter zu sein –, bis er vor der niede- ren Balustrade stand und über die Masse schnittiger Autos auf dem East River Drive hinweg auf das träge fließende graue Wasser jenseits davon schaute. Während irgend- wo vor der sich verdunkelnden Skyline von Queens ein Schlepper wehklagte, hatte er sie an genau dieser Stelle an sich gezogen und zum ersten Mal geküßt. Jetzt wandte er sich ab, ein neuer Mann, und machte sich auf den Weg nach Hause.
Das erste, was ihn traf, als er die Wohnungstür öffnete, war der Geruch von Rosenkohl. Die Kinder saßen noch beim Abendessen in der Küche: Er hörte ihre hohen mur- melnden Stimmen über dem Klappern des Geschirrs und dann die Stimme seiner Frau, müde und schmeichelnd. Als die Tür zuschlug, hörte er sie sagen: »jetzt ist Papa gekommen«, und die Kinder riefen: »Papa! Papa!«
Er verstaute seinen Hut gewissenhaft im Wandschrank im Flur und drehte sich um, als sie in der Küchentür auf- tauchte, sich die Hände an der Schürze trocknete und über ihre Müdigkeit hinweg lächelte. »Endlich kommst du ein- mal pünktlich nach Hause«, sagte sie. »Wie schön. Ich habe schon befürchtet, daß du wieder länger arbeiten mußt.«
»Nein«, sagte er. »Nein, ich mußte nicht länger arbei- ten.« Seine Stimme hatte in seinen Ohren einen merk- würdig fremden, verstärkten Klang, als spräche er in einer Echokammer.
»Du siehst trotzdem müde aus, Walt. Du siehst er- schöpft aus.«
»Ich bin zu Fuß nach Hause gegangen, das ist alles. Daran bin ich nicht gewöhnt. Wie geht's?«
»Ach, gut.« Aber auch sie sah erschöpft aus.
Nachdem sie gemeinsam in die Küche gegangen waren, fühlte er sich dort von dem feuchten Glanz bedrängt und gefangen. Sein Blick schweifte trübselig über die Milchkartons, die Gläser mit Mayonnaise, die Suppen- dosen und Zerealienschachteln, über die Pfirsiche, die aufgereiht auf dem Fensterbrett lagen, um zu reifen, über die erstaunliche Zerbrechlichkeit und Zartheit seiner bei- den Kinder, deren plappernde Gesichter ein bißchen mit Kartoffelbrei verschmiert waren.
Im Bad war es besser, und er ließ sich mehr Zeit als nötig, um sich fürs Abendessen frisch zu machen. Zumin- dest war er hier allein, gestärkt von kaltem Wasser; das einzig Lästige war die Stimme seiner Frau, die vor Un- geduld mit dem älteren Kind lauter wurde: »Na gut, Andrew Henderson. Keine Geschichte für dich heute abend, wenn du nicht sofort die Eiercreme aufißt.« Ein bißchen später hörte er, wie die Stühle zurückgeschoben und die Teller zusammengestellt wurden, was bedeutete, daß sie mit dem Abendessen fertig waren, dann das leise Schlurfen der Schuhe und das Zufallen einer Tür, was bedeutete, daß sie eine Stunde in ihrem Zimmer spielen durften, bevor sie ins Bad mußten.
Walter trocknete sich gewissenhaft die Hände; dann ging er ins Wohnzimmer und setzte sich mit einer Zeit- schrift aufs Sofa, atmete langsam und tief ein, um zu beweisen, wie sehr er sich unter Kontrolle hatte. Kurz darauf gesellte sie sich zu ihm, ohne Schürze und mit frisch aufgetragenem Lippenstift, und brachte einen Krug
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