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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Yates
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zu, hielt ihn ihr vors verblüffte Gesicht und sagte: »Warum trägst du diese verdammten Dinger?«
     Sie entriß ihm den Büstenhalter, wich zurück, lehnte sich an den Türstock und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Jetzt hör aber mal«, sagte sie. »Jetzt reicht es aber. Wirst du dich jetzt anständig benehmen oder nicht? Gehen wir ins Kino oder nicht?«
     Und plötzlich sah sie so erbärmlich aus, daß er es nicht mehr ertrug. Er nahm seinen Mantel und drängte sich an ihr vorbei. »Mach, was du willst«, sagte er. »Ich geh' jetzt.« Und dann verließ er mit einem lauten Knallen der Tür die Wohnung.
     Erst als er auf den Queens Boulevard kam, entspannten sich seine Muskeln, und seine Atmung verlangsamte sich. Er ging nicht in den Island Bar and Grill – es war noch zu früh für die Boxkämpfe, und er war zu aufgebracht, um sich dafür zu interessieren. Statt dessen trampelte er die Treppe zur U-Bahn hinunter und hastete durch das Dreh- kreuz zum Bahnsteig, von wo die Züge Richtung Manhat- tan fuhren.
     Er hatte sich das vage Ziel Times Square gesetzt, aber an der Haltestelle Third Avenue überkam ihn Durst; er ging hinauf zur Straße und trank zwei Schnäpse und zwei Bier in der ersten Bar, auf die er stieß, ein trostloser Ort, des- sen Wände mit gestanztem Blech verkleidet waren und an dem es nach Urin stank. An der Bar rechts von ihm schwang eine alte Frau ihre Zigarette wie einen Taktstock und sang »Peg o' My Heart«, und links von ihm sagte ein Mann mittleren Alters zu einem anderen: »Na ja, mein Standpunkt ist folgender: Man kann sich vielleicht über McCarthys Methoden streiten, aber, verdammt noch mal, nicht über seine Ziele. Hab ich recht?«
     Fallon verließ das Lokal und ging in eine andere Bar nahe der Lexington Avenue, eingerichtet mit Chrom und Leder, in der aufgrund der raffinierten Beleuchtung alle bläulichgrün aussahen. Er stand an der Bar neben zwei jungen Soldaten mit Divisions ab zeichen auf den Ärmeln und der Infanterietresse auf den Baretts, die gefaltet in ihren Schulterklappen steckten. Sie waren nicht dekoriert – es waren noch Kinder –, aber Fallon sah, daß sie keine Rekruten mehr waren: Zum einen wußten sie, wie sie ihre Eisenhower-Jacken zu tragen hatten, kurz und hauteng, und zum anderen waren ihre Kampfstiefel weich und glänzten nahezu schwarz. Beide wandten plötzlich den Kopf und blickten an ihm vorbei, und auch Fallon schau- te sich zu dem Mädchen im engen braunen Rock um, das sich aus der Gruppe an einem Tisch in einer dunklen Ecke löste. Sie drängte sich an ihnen vorbei, murmelte »Entschuldigung«, und alle drei drehten die Köpfe, um zuzusehen, wie sich ihr Hinterteil hob und senkte, hob und senkte, bis sie in der Damentoilette verschwunden war.
    »Mann, das war eine knackige Braut«, sagte der kleinere
    der beiden Soldaten, und sein Grinsen galt auch Fallon, der ebenfalls grinste.
     »Sollte ein Gesetz geben, das verbietet, so damit rum- zuwackeln«, sagte der größere Soldat. »Schlecht für die Truppe.«
     Ihrem Akzent nach zu urteilen stammten sie aus dem Westen, und beide hatten die hellen bäuerlichen Gesichter und den schielenden Blick, die Fallon von sei- nem alten Zug kannte. »Von welcher Einheit seid ihr, Jungs?« fragte er. »Ich sollte euer Abzeichen eigentlich erkennen.«
     Sie sagten es ihm, und er erwiderte: »Ah, ja, klar – ich erinnere mich. Die gehörte doch zur Siebten Armee? Damals vierundvierzig und fünfundvierzig?«
     »Kann ich nicht mit Sicherheit sagen, Sir«, sagte der kleinere Soldat. »Das war einiges vor unserer Zeit.«
     »Was zum Teufel soll das ›Sir‹?« sagte Fallon herzlich. »Ich war kein Offizier. Bin nicht über den Obergefreiten hinausgekommen, außer für ein paar Wochen, als sie mich zum Leutnant gemacht haben, drüben in Deutschland. Ich war ein BAR-Mann.«
     Der kleinere Soldat musterte ihn. »Das paßt«, sagte er. »Sie haben die Statur für einen BAR-Mann. Das alte BAR ist ein schweres Ding.«
     »Da hast du recht«, sagte Fallon. »Es ist schwer, aber ich will euch eins sagen, es ist eine verdammt hübsche Waffe, wenn's ums Kämpfen geht. Hört mal, was trinkt ihr, Jungs? Ich heiße übrigens Johnny Fallon.«
     Sie schüttelten ihm die Hand und murmelten ihre Namen, und als das Mädchen in dem braunen Rock wie- der aus der Damentoilette kam, sahen sie ihr erneut nach. Diesmal konzentrierten sie sich auf die wabbelnde Fülle ihrer Bluse, bis sie wieder an ihrem Tisch saß.
     »Mann«,

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