Elf Arten der Einsamkeit - Short stories
Ferse zu reiben. »Siehst du nicht, wo du mit diesem Ding hinfährst! Laß mich den Wagen schieben!«
»Du hättest nicht so plötzlich stehenbleiben sollen«, sagte er. »Ich wußte nicht, daß du stehenbleiben woll- test.«
Um sie nicht wieder mit dem Wagen anzufahren, mußte er danach seine ganze Aufmerksamkeit auf ihren schma- len Körper und ihre steckendürren Beine konzentrieren. Von der Seite betrachtet, neigte sich Rose Fallon immer ein wenig nach vorn; und beim Gehen schien ihr Hintern plump und wie abgetrennt in ihrem Schlepptau zu trei- ben. Ein paar Jahre zuvor hatte ein Arzt ihre Sterilität damit erklärt, daß ihre Gebärmutter nach vorn gekippt war, und ihr geraten, ihre Lage durch bestimmte Übun- gen zu korrigieren; eine Weile hatte sie die Übungen halbherzig gemacht und sie dann nach und nach wieder aufgegeben. Fallon wußte nie, ob ihre merkwürdige Hal- tung die Ursache oder die Folge ihres inneren Zustandes war, aber er wußte mit Sicherheit, daß sie wie ihre Stirn- höhlenprobleme im Lauf ihrer Ehe schlimmer geworden war; er hätte schwören können, daß sie aufrecht gestan- den hatte, als er sie kennenlernte.
»Möchtest du Rice Krispies oder Post Toasties, John?« fragte sie ihn.
»Rice Krispies.«
»Ja, aber die hatten wir letzte Woche. Hast du sie nicht über?«
»Na gut, dann die anderen.«
»Was murmelst du? Ich verstehe dich nicht.«
»Post Toasties, habe ich gesagt!«
Auf dem Nachhauseweg schnaufte er unter der Last der Lebensmitteltüten in seinen Armen mehr als gewöhnlich. »Was ist los?« fragte sie, als er stehenblieb, um den Griff um die Tüten zu ändern.
»Ich bin vermutlich nicht in Form«, sagte er. »Ich sollte mal wieder Handball spielen.«
»Also ehrlich«, sagte sie. »Das sagst du immer, und dann liegst du nur rum und liest Zeitung.«
Bevor sie das Abendessen zubereitete, nahm sie ein Bad und aß dann, in einen großen Bademantel gewickelt, in dem ungepflegten Zustand, in dem sie sich nach dem Baden immer befand: feuchtes Haar, trockene, poröse Haut, kein Lippenstift und ein lächelnder Milchrand um die obere Hälfte ihres nicht lächelnden Mundes. »Wo willst du hin?« fragte sie, als er seinen Teller zurückschob und aufstand. »Schau dir das an – du läßt ein volles Glas Milch auf dem Tisch stehen. Ehrlich, John, du willst, dass ich Milch kaufe, und wenn ich welche kaufe, läßt du sie stehen. Komm zurück und trink sie aus.«
Er ging zurück und trank die Milch, woraufhin ihm leicht übel war.
Nachdem sie mit dem Essen fertig war, begann sie ihre sorgfältigen Vorbereitungen für den Abend außer Haus; lange nachdem er das Geschirr gespült und getrocknet hatte, stand sie noch am Bügelbrett und bügelte den Rock und die Bluse, die sie ins Kino anziehen wollte. Er setzte sich, um auf sie zu warten. »Wir kommen zu spät, wenn du dich nicht beeilst«, sagte er.
»Ach, sei nicht albern. Wir haben praktisch noch eine ganze Stunde. Was ist heute abend nur los mit dir?«
Die hochhackigen Straßenschuhe sahen zu dem knö- chellangen Bademantel absurd aus, vor allem als sie sich breitbeinig vorbeugte, um den Stecker des Bügeleisens aus der Steckdose zu ziehen.
»Warum hast du mit den Übungen aufgehört?« fragte er sie.
»Mit was für Übungen? Wovon redest du?«
»Du weißt schon«, sagte er. »Du weißt schon. Die Übun- gen für deinen nach vorn gekippten Utilus.«
»Uterus«, sagte sie. »Du sagst immer ›Utilus‹. Es heißt Uterus.«
»Das ist doch vollkommen egal. Warum hast du damit aufgehört?«
»Also, ehrlich, John«, sagte sie und klappte das Bügel- brett zusammen. »Warum um Himmels willen fängst du ausgerechnet jetzt damit an?«
»Was hast du vor? Willst du den Rest deines Lebens mit einem nach vorn gekippten Utilus herumlaufen oder was?«
»Tja«, sagte sie, »jedenfalls will ich bestimmt nicht schwanger werden, falls du davon sprichst. Darf ich fra- gen, was wir machen würden, wenn ich meinen Job auf- geben müßte?«
Er stand auf und ging durchs Wohnzimmer, starrte wütend auf die Lampenschirme, die Blumenaquarelle und die kleine Porzellanfigur eines im Sitzen schlafenden Mexikaners, in dessen Rücken ein trockener Kaktus blühte. Er ging ins Schlafzimmer, wo ihre frische Unterwäsche für den Abend ausgelegt war, und hob den weißen Büstenhal- ter mit Schaumgummieinlagen hoch, ohne den ihre Brust so flach wie die eines Jungen war. Als sie hereinkam, wandte er sich ihr
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