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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Yates
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ten.«
     Ich glaube, Bernies Frau war an den Abenden, an denen er seine Bewerber empfing, im Kino; ich lernte sie später kennen, aber darauf werden wir noch kommen. An die- sem ersten Abend waren wir zu zweit, setzten uns mit unserem Ginger-ale in glatte Kunstledersessel, und es ging nur ums Geschäft.
     »Zuerst einmal«, sagte er, »sagen Sie, Bob, kennen Sie »My Flag Is Down‹?« Und bevor ich fragen konnte, wovon er sprach, zog er es aus einem versteckten Winkel in der Kredenz und reichte es mir – ein Taschenbuch, das man noch immer in Drugstores findet, angeblich die Memoi- ren eines New Yorker Taxifahrers. Dann begann er, mich ins Bild zu setzen, und ich betrachtete das Buch, nickte und wünschte, ich hätte meine Wohnung nie verlassen.
     Auch Bernard Silver war Taxifahrer. Seit zweiundzwan- zig Jahren, mein ganzes Leben lang, und während der letzten zwei oder drei Jahre war er zu der Überzeugung gelangt, daß eine leicht fiktionalisierte Version seiner eigenen Erfahrungen ein Vermögen wert sein könnte. »Ich möchte, daß Sie sich das ansehen«, sagte er, und diesmal holte er eine ordentliche, kleine Schachtel mit acht mal dreizehn Zentimeter großen Karteikarten aus der Kredenz. Hunderte von Erlebnissen, sagte er; alle ver- schieden; und auch wenn nicht alle ganz und gar der Wahrheit entsprachen, wie er mir zu verstehen gab, so konnte er mir doch versichern, daß in jedem zumindest ein Körnchen Wahrheit steckte. Konnte ich mir vorstel- len, was ein wirklich guter Ghostwriter mit einem sol- chen Reichtum an Material anfangen könnte? Oder wie- viel Geld derselbe Schriftsteller auf die hohe Kante legen könnte, wenn sein fetter Anteil am Verkauf der Rechte an Zeitschriften, Buchverlage und Filmgesellschaften herein- käme?
     »Ich weiß nicht, Mr. Silver. Darüber muß ich erst mal nachdenken. Ich glaube, ich sollte erst mal das andere Buch lesen, und wenn ich dann meine, daß –«
     »Nein, warten Sie. Sie sind mir weit voraus, Bob. Zuerst mal möchte ich nicht, daß Sie dieses Buch lesen, weil Sie daraus nichts lernen. Bei dem Typ geht es nur um Gang- ster und Weiber und Sex und Alkohol und so Zeug. Ich bin ganz anders.« Und ich saß da und ließ mich mit Gin- ger-ale vollaufen, als wollte ich einen gewaltigen Durst stillen, nur um so bald wie möglich gehen zu können, nachdem er seine Erklärung, wie ganz anders er war, be- endet hätte. Bernie Silver war ein warmherziger Mensch, erzählte er; ein gewöhnlicher, alltäglicher Typ mit einem Herzen so groß wie die ganze Welt und einer echten Lebensphilosophie; verstand ich, wovon er sprach?
     Ich habe einen Trick, mich auszublenden (ganz ein- fach: man fixiert mit den Augen den Mund des Sprechers und beobachtet die rhythmischen, sich endlos wandeln- den Formen von Lippen und Zunge, und schon hört man kein Wort mehr), und ich wollte ihn gerade anwenden, als er sagte:
     »Und verstehen Sie mich nicht falsch, Bob. Ich habe noch nie einen Schriftsteller darum gebeten, auch nur ein Wort umsonst zu schreiben. Natürlich kann es zum jetzi- gen Zeitpunkt nicht viel Knete sein, aber ich werde Sie bezahlen. Ist das fair? Kommen Sie, ich schenke Ihnen nach.«
     Das war ein Vorschlag. Er würde mir eine Idee aus dem Karteikasten geben; ich sollte daraus unter dem Namen Bernie Silver eine Kurzgeschichte in der ersten Person schreiben, zwischen eintausend und zweitausend Wör- tern, die garantiert sofort bezahlt wurde. Sollte ihm meine Arbeit gefallen, gäbe es jede Menge weitere Aufträge – einen pro Woche, wenn ich es schaffte –, und zusätzlich zu dieser anfänglichen Bezahlung könnte ich mich selbst verständlich auf einen großzügigen Prozentsatz an allen folgenden Einnahmen freuen, die das Material einbrin- gen würde. Er gefiel sich darin, augenzwinkernd ein Ge- heimnis aus seinen Marketingplänen für die Geschichten zu machen, obschon er es schaffte anzudeuten, daß Reader's Digest interessiert sein könnte, und er war so ehr- lich zuzugeben, daß er noch keinen Verleger hatte für das ultimative Buch, das sie ergäben, aber er meinte, er kön- ne mir ein paar Namen nennen, die mich umhauen wür- den. Hatte ich zum Beispiel schon einmal von Manny Weidman gehört?
     »Oder vielleicht«, sagte er und brach in sein alles umfassendes Lächeln aus, »vielleicht kennen Sie ihn bes- ser als Wade Manley.« Es war der glänzende Name eines Filmstars, ein Mann, der in den dreißiger und vierziger Jahren so berühmt war wie heutzutage Kirk

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