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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Yates
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lagegeschäfte und was sind sinkende Effektenvorzugs- scheine? Ich will noch immer verdammt sein, wenn ich es wüßte), während die Fernschreiber tuckerten und klap- perten und die Wall-Street-Ticker tickten und alle um mich herum über Baseball diskutierten, bis es gnädiger- weise an der Zeit war, nach Hause zu gehen.
     Der Gedanke, daß Hemingway früh geheiratet hatte, gefiel mir; da war ich völlig einer Meinung mit ihm. Meine Frau, Joan, und ich lebten so weit westlich, wie man in der Zwölften Straße West nur leben konnte, in einem gro- ßen Zimmer mit drei Fenstern im dritten Stock, und wenn es nicht das linke Seine-Ufer war, lag es gewiß nicht an uns. Jeden Abend nach dem Essen, während Joan das Geschirr spülte, herrschte eine respektvolle, wenn nicht gar ehrfürchtige Stille im Raum, und das war der Zeit- punkt, um mich in die Ecke hinter einen dreiteiligen Wandschirm zurückzuziehen, wo ein Tisch, eine Schreib- tischlampe und eine tragbare Schreibmaschine standen. Aber es war natürlich hier, im weißen Schein der Lampe, wo die sowieso nur wenigen Parallelen zwischen Heming- way und mir ihrer härtesten Bewährungsprobe ausgesetzt waren. Denn aus meiner Schreibmaschine kam kein »Oben in Michigan«, kein »Drei Tage Sturm« oder »Die Killer«; sehr oft kam eigentlich gar nichts, und wenn etwas kam, das Joan »wunderbar« nannte, wußte ich zuinnerst, daß es immer, immer schlecht war.
     Es gab auch Abende, an denen ich hinter dem Schirm nichts weiter tat, als herumzutrödeln – zum Beispiel jedes auf die Innenseite eines Streichholzbriefchens ge- druckte Wort oder alle Anzeigen hinten in der Saturday Review of Literature las –, und an einem solchen Abend im Herbst des Jahres stieß ich auf folgende Zeilen:

    Ungewöhnliche Gelegenheit für talentierten Schriftstel- ler. Voraussetzung: Phantasie. Bernard Silver.

    Und dann eine Telefonnummer, offenbar aus der Bronx.
    Ich werde Ihnen den trockenen witzigen Hemingway-
    Dialog ersparen, der folgte, als ich hinter dem Wand- schirm hervorkam, Joan sich von der Spüle abwandte und Seifenlauge von ihren Händen auf die aufgeschla- gene Zeitschrift tropfen ließ, und wir können auch das herzliche, nicht gerade geistreiche Telefongespräch mit Bernard Silver übergehen. Ich springe einfach zu einem Abend ein paar Tage später, als ich eine Stunde lang mit der U-Bahn fuhr und schließlich den Weg zu seiner Woh- nung fand.
     »Mr. Prentice?« fragte er. »Wie lautet gleich noch mal Ihr Vorname? Bob? Gut, Bob, ich bin Bernie. Kommen Sie rein, machen Sie es sich bequem.«
     Und ich denke, daß sowohl Bernie als auch sein Zuhause hier eine kurze Beschreibung verdienen. Er war Mitte bis Ende Vierzig, ein gutes Stück kleiner als ich und wesent- lich stämmiger, er trug ein teures blaßblaues Freizeithemd, die Schöße über der Hose. Sein Kopf war wiederum ein gutes Stück kleiner als meiner, mit sich lichtendem schwarzem Haar, das nach hinten geklatscht war, als hätte er mit dem Gesicht nach oben unter der Dusche gestanden; und sein Gesicht war eines der treuherzig- sten und selbstbewußtesten Gesichter, die ich je gesehen habe.
     Seine Wohnung war sehr ordentlich, geräumig und cremefarben, überall Teppichboden und Türbögen. In der kleinen Nische neben dem Garderobenschrank (»Ziehen Sie Mantel und Hut aus, gut. Den hängen wir auf einen Kleiderbügel, und dann sind wir soweit, gut.«) sah ich eine Sammlung gerahmter Fotos unterschiedlicher Grup- pierungen von Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, aber an den Wänden des Wohnzimmers hingen überhaupt keine Bilder, nur ein paar gußeiserne Lampenhalter und Spiegel. Hatte man das Zimmer einmal betreten, fiel einem der Mangel an Bildern jedoch nicht auf, denn die ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf ein einziges, erstaun- liches Möbelstück. Ich weiß nicht, wie man es nennt – eine Kredenz? –, aber was immer es war, es schien kein Ende zu nehmen, brusthoch an manchen Stellen, hüft- hoch an anderen, bestehend aus mindestens drei ver- schiedenen Schattierungen von glänzendem braunem Furnierholz. Ein Teil davon war ein Fernsehgerät, ein anderer ein Radio plus Plattenspieler; ein Teil verschmä- lerte sich zu Regalfächern, in denen Topfpflanzen und kleine Figurinen standen; wieder ein anderer, ausgestat- tet mit Chromgriffen und raffinierten Schiebetüren, stellte eine Bar dar.
     »Ginger-ale?«, fragte er. »Meine Frau und ich trinken nicht, aber ich kann Ihnen ein Glas Ginger-ale anbie-

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