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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Yates
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ich niemanden kannte, der es nicht war –, und zum anderen wandte sich das Gespräch bald der fabel- haften Tatsache zu, daß sie Wade Manley kannten, was eine Reihe stolzer Erinnerungen heraufbeschwor. »Bernie läßt sich nichts von ihm gefallen, keine Sorge«, versicherte uns Rose. »Bernie, erzähl ihnen, was du getan hast, als er hier war und du ihm gesagt hast, er soll sich setzen und den Mund halten. Das hat er getan! Wirklich! Er hat ihn in die Brust gestoßen – diesen Film star! – un d gesagt: ›Ach, setz dich hin und halt den Mund, Manny. Wir wis- sen, wer du bist!‹ – Erzähl's ihnen, Bernie.«
    Und Bernie, der sich vor Vergnügen wand, stand auf,
    um uns die Szene vorzuspielen. »Ach, wir haben nur Spaß gemacht, verstehen Sie«, sagte er, »aber ich hab's getan. Ich habe ihn ein bißchen geschubst und gesagt: ›Ach, setz dich hin und halt den Mund, Manny. Wir wis- sen, wer du bist!‹«
     »So war's! So wahr ich hier stehe! Er hat ihn in den Ses- sel dort drüben gestoßen! Wade Manley!«
     Kurz darauf, als Bernie und ich die Gläser neu füllten und von Mann zu Mann sprachen und Rose und Joan gemütlich auf dem Sofa saßen, bedachte Rose mich mit einem schelmischen Blick. »Ich möchte Ihrem Mann ja nicht schmeicheln, Joanie, aber wissen Sie, was Dr. Corvo zu Bernie gesagt hat? Soll ich's ihr sagen, Bernie?«
     »Klar, erzähl's ihr! Erzähl's ihr!« Und Bernie schwenkte die Flasche Ginger-ale in der einen und die Flasche Whis- key in der anderen Hand, um klarzumachen, wie offen alle Geheimnisse an diesem Abend gelegt werden konnten.
     »Also«, sagte sie. »Dr. Corvo hat gesagt, daß Ihr Mann
    der beste Schreiber ist, den Bernie je gehabt hat.«
     Später, als Bernie und ich auf dem Sofa saßen und die Damen an der Kredenz standen, begann ich zu begreifen, daß auch Rose eine Baumeisterin war. Sie hatte die Kre- denz vielleicht nicht mit ihren eigenen Händen erbaut, aber sie hatte eindeutig mehr als den ihr zukommenden Anteil am Aufbau der tiefempfundenen Überzeugungen geleistet, die notwendig waren, um die Aberhunderte von Dollar aufzubringen, die die Ratenzahlungen verschlan- gen. Ein Möbelstück wie dieses war eine Investition für die Zukunft; und ich hätte jetzt, während sie davor stand, sie betätschelte und über kleine Flächen wischte und mit Joan redete, schwören können, daß ich vor mir sah, wie sie in Gedanken eine zukünftige Party plante. Joan und ich wären unter den Anwesenden, so viel war sicher (»Das ist Mr. Robert Prentice, der Assistent meines Man- nes, und Mrs. Prentice«), und die anderen Gäste waren ebenfalls so gut wie vorhersehbar: selbstverständlich Wade Manley und seine Frau sowie eine gewissenhafte Auswahl ihrer Freunde aus Hollywood; Walter Winchell wäre da, und Karl Wilson und Toots Shor und die ganze Bande; aber für eine kultivierte Person wesentlich wichti- ger wäre die Anwesenheit von Dr. und Mrs, Alexander Corvo und von ein paar Leuten aus ihrem Kreis. Leute wie die Lionel Trillings und die Reinhold Niebuhrs, die Huntington Hartfords und die Leslie R. Groves – und wenn jemand vom Rang der Mr. und Mrs. Newbold Mor- ris kommen wollte, dann können Sie verdammt sicher sein, daß sie ziemlich einfallsreich um eine Einladung hätten buhlen müssen.
     Es war an diesem Abend, wie Joan später zugab, erstik- kend heiß in der Wohnung der Silvers; und ich führe diesen Umstand als annehmbare Entschuldigung für das an, was ich als nächstes tat – und 1948 brauchte ich dazu wesentlich weniger Zeit als heute, glauben Sie mir –, nämlich mich sternhagelvollaufen zu lassen. Bald war ich nicht nur der lautstärkste, sondern auch der einzige Redner im Raum; ich erklärte, daß wir alle vier bei Gott noch zu Millionären würden.
     Und was für einen Spaß wir dann hätten! Oh, wir wür- den Lionel Trilling ohrfeigen und ihn in jeden Sessel in diesem Zimmer stoßen und ihm sagen, er solle den Mund halten – »Und du auch, Reinhold Niebuhr, du aufgebla- sener, scheinheiliger alter Idiot! Wo ist dein Geld? Na los, zeig uns, wo dein Geld ist.«
     Bernie gluckste und schien schläfrig, Joan schämte sich für mich, und Rose lächelte kalt, aber grenzenlos ver- ständnisvoll dafür, wie ermüdend Ehemänner bisweilen sein können. Dann standen wir in der Nische und pro- bierten jeder mindestens ein halbes Dutzend Mäntel an, und ich betrachtete wieder das Foto des Hornisten und überlegte, ob ich mich trauen sollte, die brennende Frage zu stellen. Aber

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