Elfen-Jagd
erneut auf Hufgetrappel, ortete den Hengst und schnitt ihm mit dem letzten Knäuel den Fluchtweg ab. Nun war sein Gegner in einem Fadendreieck gefangen. Denn wenn Krach auch nicht persönlich dort gewesen war, wo jetzt der Bindfaden auslag, blieb dieser doch immer noch sein Gehilfe und zählte darum mit Sicherheit voll und ganz. Das Pferd konnte seine Fadengrenze nicht überschreiten, wenn es nicht gegen seine eigene Regel verstoßen wollte, stets dort zu sein, wo Krach als letztes hinschaute.
Krach legte sein Ohr auf den Boden. Das Hufgetrappel war verstummt. Entweder war der Nachthengst ihm doch noch entkommen, oder er war stehengeblieben. Da ersteres bedeutet hätte, daß Krach geschlagen wäre, entschied er sich lieber für die zweite Möglichkeit. Er hatte sein Ziel endlich eingegrenzt.
Krach stapfte in das Dreieck, in dem er schon bald den Nachthengst finden würde. Bald darauf erblickte er einen Fleck am Horizont. Mißtrauisch und auf alles gefaßt, stampfte er weiter. Tatsächlich – ein flügelloses, mitternachtsschwarzes Pferd mit ebenso schwarz glänzenden Augen. Das war mit Sicherheit der Nachthengst, der Herrscher über die Nachtmährenwelt, mit dem er noch eine Rechnung zu begleichen hatte.
Krach blieb stampfend vor dem Wesen stehen. Er war zwar etwas größer als das Pferd, dafür hatte dieses jedoch eine größere Körpermasse. »Ich bin Krach der Oger«, sagte er. »Und wer bist du?« Denn es war klüger, in solchen Fällen auf Nummer Sicher zu gehen.
Das Wesen stand einfach nur da. Da erblickte Krach eine Plakette, die an seinen Vorderhufen befestigt war, und darauf stand das Wort: TROJAN.
»Also gut, Trojanisches Pferd«, sagte Krach, »ich bin gekommen, um meine Seele wieder auszulösen.«
Er hatte erwartet, daß das Tier ihn sofort angreifen würde, doch es verharrte reglos und erwiderte auch nichts. Genausogut hätte es eine Statue sein können.
»Wie geht das?« fragte Krach.
Immer noch keine Antwort. Anscheinend schmollte das Pferd, weil er es eingefangen hatte.
Krach musterte den Hengst genauer. Der sah aber wirklich aus wie steifgefroren! Er trat einen Schritt vor und berührte ihn mit einer Bratpfannenhand.
Der Körper des Pferdes war metallkalt und hart. Es war tatsächlich eine Statue!
Hatte er vielleicht doch den falschen erwischt? Das würde bedeuten, daß er auf ein Ablenkungsmanöver reingefallen war und seine Suche von vorne beginnen mußte. Dieser Gedanke behagte ihm gar nicht, deshalb verdrängte er ihn sofort wieder.
Er betrachtete den Boden. Hinter der Statue waren Hufabdrücke zu erkennen. Das Ding mochte zwar festgefroren sein, hatte sich vorher aber auf jeden Fall bewegt. Vielleicht versuchte es mit seiner Reglosigkeit nur, Krachs Suche zu behindern. Das Biest war wirklich gerissen!
Na ja, da hatte der Oger so seine Methoden. Er baute sich vor dem Hengst auf und hielt ihm eine Riesenfaust unter die Nase. »Verhandele mit mir, Tier, oder ich hau dich schrottreif!«
Die mitternachtsschwarzen Augen schienen zu glitzern. Trojan mochte es wohl nicht, wenn man ihm drohte!
Krach fand sich allein auf einem windigen, regnerischen Gipfel wieder.
Er ließ seinen Blick schweifen. Der Gipfel war gerade groß genug, daß er darauf sitzen konnte, wies aber ansonsten keine besonderen Merkmale auf. Der flache, glatte Fels brach abrupt an der Kante ab, und die steile Wand endete tief unten in einem donnernden Ozean. Es gab weder Pflanzen noch Nahrung noch sonst etwas – nur das Zargen des Windes und das Tosen des Meeres in der Tiefe.
Das hatte natürlich der Nachthengst vollbracht. Er hatte ihn an diesen einsamen Ort gezaubert, um ihn loszuwerden. Soweit also zum Thema ›fairer Kampf‹.
Der Sturm kam näher, Stürme liebten es, mit Leuten zu spielen, die sich auf einsamen Felsen befanden! Ein Blitz zuckte auf und schlug in den Gipfel ein. Da brach ein Stück Felsgestein funkensprühend ab und taumelte wie im Zeitlupentempo in die Tiefe.
Krach stand am rauchenden Felsrand und beobachtete den winzigen Platscher des ins Wasser stürzenden Felsens. Der Stein war recht groß und massiv gewesen, doch aus der Höhe betrachtet erschien er ihm nicht größer als ein Kiesel.
Das hier war wirklich ein hübscher Urlaubsort für Oger!
Aber er wollte jetzt keinen Urlaub machen, sondern gegen Trojan kämpfen. Wie konnte er das tun?
Er hatte durch den Blitzschlag etwa ein Viertel seiner Standfläche eingebüßt, so daß er sich nicht einmal mehr auf dem Boden zusammenkringeln
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