Elfen-Jagd
konnte. Der Wind blies ihm immer heftiger durch den Pelz und versuchte ihn vom Gipfel zu wehen. Krach wollte sich zwar gerne wieder auf die Reise machen, aber nicht auf diese Weise!
Der Regen prasselte auf ihn nieder und ließ den Stein noch glitschiger werden. Die Wasserfluten umspülten seine Füße und versuchten seinen Zehen ihren Halt zu nehmen, um ihn in einem Sturzbach den Fels hinabzureißen. Ein solcher Sturz tat zwar dem Wasser nicht weh, aber seiner Haut dürfte er kaum gut bekommen.
Unten nahm eine gewaltige Woge einen riesigen Anlauf und donnerte schließlich gegen die Felssäule, die sofort zu beben begann. Wieder schälten sich Gesteinsschichten ab und stürzten in die Tiefe. Einen Augenblick lang glaubte Krach schon, daß die ganze Sache jetzt zusammenbrechen würde, doch etwa die Hälfte des Gesteins widerstand dem Ansturm und blieb stehen. Es war allerdings offensichtlich, daß sein Gipfel nicht mehr lange würde standhalten können.
Krach dachte nach. Wenn er hier stehenblieb, würde die Gesteinssäule bald zusammenbrechen und ihn in den gierigen Ozean stürzen lassen. Er war zwar ein Oger, aber er war noch nicht wieder bei vollen Kräften, und es konnte durchaus sein, daß er im Wasser zwischen den herabstürzenden Felsen zermalmt würde. Wenn er versuchte hinabzuklettern, würde das gleiche passieren – die Säule würde zusammenbrechen, bevor er unten angekommen war. Oger waren durchaus zäh, doch die Naturgewalten, die hier am Werk waren, waren wirklich überwältigend; er hatte keine reelle Chance mehr.
Er sah, daß die Wogen sich erst dicht am Felsenturm entwickelten. Seine Schlauschlinge kam zu dem Schluß, daß das Wasser folglich tiefer war, je weiter es vom Felsen entfernt war, denn tiefes Wasser war träge und gab seine Ruhe nicht gerne preis. Das aber konnte bedeuten, daß man dort ungefährdet hineinspringen durfte.
Also gut. Es tat ihm zwar leid, diesen hübschen Turm verlassen zu müssen, aber er hatte nun einmal Dringenderes zu tun. Er sprang von der Kante und segelte wie ein tolpatschiger Schwan auf das tiefe Wasser zu.
Da fiel ihm ein, daß er ja gar nicht besonders gut schwimmen konnte. In einem stillen See war das egal, aber in Sturzbächen neigte er dazu, zu ertrinken.
Er blickte den weiten Ozean an, der sich tief und dunkel unter ihm auftat. Das war kein bloßer Sturzbach, sondern ein urtümliches Ungeheuer. Er hatte wirklich nicht die geringste Chance. Schade.
Er stand wieder vor der Pferdestatue. Es war weder ein Turm noch ein Ozean zu sehen. Alles war nur eine magische Vision gewesen. Eine Prüfung vielleicht oder eine Warnung. Offensichtlich war er erschöpft und matt; wahrscheinlich hatte er einen Teil seiner Seele verloren.
Doch nun wußte er immerhin, wie die Sache funktionierte. Der Nachthengst kämpfte nicht körperlich gegen ihn, sondern schleuderte ihm turbulente Visionen entgegen, so wie es Tandy mit ihren Kollern und die Strudelungeheuer mit ihren Flüchen taten.
»Versuch’s ruhig noch mal, Pferdegesicht!« grunzte er. »Meine Seele will ich immer noch wiederhaben!«
Die dunklen Augen des Nachthengstes funkelten bösartig.
Da stand Krach mitten in einem Rudel mundanischer Löwen. Er fühlte sich stark geschwächt, wahrscheinlich war das hier Mundania, also jenseits der Zone der Magie, so daß seine magische Kraft verloren war.
Die Löwen knurrten wie säugende Drachen, peitschten mit ihren buschigen Schwänzen und umzingelten ihn. Es waren sechs an der Zahl: ein Männchen, vier Weibchen und ein Junges. Die Weibchen schienen am aggressivsten zu sein. Sie beschnüffelten ihn und versuchten offenbar einzuschätzen, wie gefährlich – und wie genießbar – er war.
Normalerweise hätte Krach sich nichts Schöneres wünschen können, als sich unter eine Menge von Ungeheuern zu mischen, um dort ein herrliches Chaos zu veranstalten. Oger lebten nun einmal für die Freuden blutiger Schlachten, waren Raufbolde. Doch zwei Dinge sprachen dagegen – seine Schlauschlinge und seine Schwäche. Erstere meinte leider, daß es wohl besser sei, sich möglichst nicht auf eine Prügelei einzulassen, deren Ausgang ungewiß war, und zweitere wies ihn darauf hin, daß der Ausgang zuhöchst ungewiß sein würde. Er täte besser daran, meinte seine feige Intelligenz, auf der Stelle zu fliehen.
Doch dagegen sprachen wiederum zwei Dinge: Erstens gab es keinen Ort, an den er hier hätte fliehen können, denn er befand sich in einer ummauerten Arena, die oben mit
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