Elfen-Jagd
Maschendraht überdacht war, und zweitens hatten ihn die Löwen sowieso schon umzingelt, so daß er kämpfen mußte, wenn es ihm nicht gelang, sie zu bluffen.
Er versuchte es mit dem Bluff. Er hob seine Riesenfäuste, obwohl diese nun wegen der fehlenden Panzerfäustlinge ungeschützt waren, und brüllte los. Das war eine Haltung, die fast allen Wesen in Xanth sofort Angst eingejagt hätte.
Doch die Löwen waren nicht aus Xanth. Sie stammten aus Mundania und mußten erst noch lernen. Sie griffen an.
Unter normalen Umständen hätte Krach aus sechs solchen Ungeheuern mit ebenso vielen Fausthieben und Fußtritten schnellstens Hackfleisch gemacht. Doch da er nur noch mundanische Normalstärke aufwies, konnte er lediglich einen der Löwen fertigmachen. Während er den zermalmte, bissen die anderen zu.
Kurz darauf hatten sie die Wurstsehnen seiner Arme und Beine durchgebissen, so daß seine Bratpfannenhände und -füße nutzlos geworden waren. Dann durchkauten sie den Nervenkanal seines Nackens, so daß sein Kopf ein Stückchen von seiner Funktionsfähigkeit verlor. Jetzt war er fast völlig hilflos. Er konnte zwar noch fühlen, konnte sich jedoch nicht mehr bewegen.
Da machten sie sich genüßlich und langsam über ihn her, an Armen und Beinen je ein Weibchen, während das Männchen sich aus Krachs Bauch die leckeren Eingeweide hervorkrallt.
Das zerschundene Junge rappelte sich immerhin wieder so weit auf, daß es einen Versuch mit Krachs Nase machte und kleine Stückchen davon abbiß, um nicht an allzu großen Brocken zu ersticken. Es tat entsetzlich weh, als die Ungeheuer seine Hände und Füße abfraßen und sich auf seine Nieren stürzten, und es machte auch keinen besonderen Spaß, als das Junge ihm einen Augapfel auslutschte, doch Krach schrie nicht auf. Es schien keinen Zweck zu haben, Lärm zu machen, und außerdem war das sowieso schwierig, wenn man keine Zunge mehr hatte und ein Löwe gerade auf seinen Lungen herumkaute. Er wußte, daß alles Gefühl enden würde, sobald die Bestien seine lebenswichtigen Organe vertilgt hatten, deshalb verhielt er sich lieber abwartend.
Doch die Löwen hatten sich schnell satt gegessen, denn Krach war äußerst fleischig. Verstümmelt und ausgenommen ließen sie ihn liegen und stapelten sich zu einem Familiennickerchen übereinander. Jetzt erschienen die Fliegen, die sich in Schwärmen über ihn hermachten, und jeder ihrer Bisse war eine Qual für sich. Die Sonne brannte durch den Maschendraht auf ihn herab und versengte sein intaktes Auge, das er infolge seiner Lähmung nicht mehr schließen konnte. Schon bald darauf war er erblindet. Doch noch immer konnte er spüren, wie die Fliegen über seine Nase krabbelten und sich neue Appetithappen und Legestellen für ihre Larven aussuchten. Er wußte, daß sich die Sache noch fürchterlich in die Länge ziehen würde, denn er war wirklich eine fette Beute.
Wie war er nur in diese Lage geraten? Indem er den Nachthengst herausgefordert hatte, ihm seine Seele wiederzugeben und Tandy und Chem aus dem Nichts zu befreien. War das die Sache wert gewesen? Nein, weil er ja gescheitert war. Ob er es noch einmal versuchen würde? Ja, weil er seinen Freundinnen immer noch helfen wollte, so weh es auch tun mochte.
Er stand wieder vor Trojan, körperlich vollständig und unversehrt. Es war wieder einmal eine Prüfung gewesen, und diese hatte er offensichtlich ebenfalls nicht bestanden. Er hätte die Löwen irgendwie vernichten müssen, anstatt sich von ihnen auffressen zu lassen. Aber trotzdem schien er noch immer im Besitz des größten Teils seiner Seele zu sein, und vielleicht würde es ihm bei der dritten Prüfung ja gelingen, den Rest zurückzugewinnen.
»Ich bin immer noch dabei, Herr der Nachtmähren«, sagte er zu der düsteren Statue.
Wieder blitzten die Augen grausam auf. Dieses Wesen der Nacht kannte weder Mitgefühl noch Erbarmen!
Krach stand am Fuß eines Felsenbergs.
»Hilfe!« rief jemand. Es hörte sich an wie Tandy.
Wie war die denn hierhergekommen? Hatte sie seine Anweisungen nicht befolgt und war in den Kürbis eingedrungen, um ihn mit Hilfe seiner Bindfadenspur zu suchen? Dummes Mädchen! Krach schaute sich um, konnte aber niemanden entdecken.
»Hilfe!« schrie sie zum zweiten Mal. »Ich bin unter dem Berg!«
Krach war entsetzt. Er mußte sie dort herausholen! Es gab keinen Gang, also mußte er die Felsbrocken hochheben und davonschleudern. Da seine Kräfte wieder fast hergestellt waren, war das nicht
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