Elfen-Jagd
in den Drachenschwanz. Was die für einen Mut hat! Dabei muß sie schreckliche Schmerzen haben!«
Die Elfe hatte ihre gerade wieder verheilten Flügel verloren und litt entsetzlich – weil Krach versagt hatte. Mit einem Schmerzenskrampf der Reue zwang er neue Kraft in seine gelähmten Muskeln und riß an dem Seil. Nun geriet es plötzlich wieder in Bewegung, die Last schien leichter geworden zu sein, und schon bald war die Zentaurin oben angekommen und kletterte über den Rand der Spalte. Aber was war jetzt mit Johann?
»Da – der Drache stürzt ab!« schrie die Sirene. »Sie hat es geschafft! Sie hat den Schwanz durchgeschnitten! Sie ist mit Drachenblut vollgespritzt und hat das Messer verloren, aber der Drache stürzt jetzt holpernd in die Tiefe, in einer Dampf- und Staubwolke. Jetzt liegt das Ungeheuer unten in der Schlucht und hoppelt davon!«
»Was ist mit Johann?« rief Tandy.
»Die sitzt inzwischen am Eisenholzbaum. Sie hält die Augen geschlossen. Ich glaube, sie hat es noch gar nicht richtig begriffen, was passiert ist. Ihre Flügel…«
Tandy knüpfte bereits eine kleine Halterung in das Seil. »Laß das zu ihr hinab. Wir ziehen sie hoch!«
Krach blieb reglos stehen und lauschte dem Geschehen. Seine kurze Kraftaufwallung war erschöpft, er war unfähig, noch irgend etwas zu tun. Er schämte sich seiner Schwäche und der schrecklichen Konsequenzen, die sie gehabt hatte, wußte aber nicht mehr aus noch ein. Und Johann hatte geglaubt, in Begleitung eines Ogers wäre sie in Sicherheit!
Chem zog die Elfe empor. Krach sah, wie Johann in ihrem kleinen Netz hing. Ihre einst so schönen Flügel mit dem Blütenmuster waren nur noch ein paar zerschmolzene, formlose Stummel, völlig fluguntauglich. Ob sie jemals wieder nachwachsen würden? Das war mehr als unwahrscheinlich.
»Na ja, wenigstens haben wir die Spalte überquert«, sagte Tandy. Doch sie war nicht glücklich darüber. Das waren sie alle nicht. Eine von ihnen hatte ihre unschätzbaren Flügel eingebüßt, eine andere war zu müde, um auch nur stehen zu können, und Krach war zu erschöpft, um sich zu bewegen. Wenn das typisch für die Gefahren im mittleren Teil von Xanth war, wie sollten sie es da jemals bis ans Ziel schaffen?
»So, so«, sagte eine neue Stimme.
Krach wandte dem Sprecher stumpf das Gesicht zu. Es war ein knorriger, häßlicher Kobold – an der Spitze einer recht großen Koboldtruppe.
Kobolde haßten Wesen aller Art. Die Klemme, in der sie steckten, war noch schlimmer geworden als zuvor.
7
Wahnrand
»Wenn ihr euch wehrt, schmeißen wir euch ohne euer Seil wieder in den Abgrund«, sagte der Koboldführer. Es war ein verkrüppeltes schwarzes Wesen von der Größe Johanns, mit einem riesigen Kopf und ebensolchen Händen und Füßen. Seine kurzen Gliedmaßen wirkten verzogen und verkrampft, als wären seine Knochen immer wieder gebrochen und schief zusammengewachsen, und auch sein Gesicht war unsymmetrisch: Ein Auge war kaum mehr als ein Schlitz, das andere war groß und rund, die Nase war rund, ja kugelförmig, und der Mund schief. Nach Koboldmaßstäben sah er recht gut aus.
Die Kobolde teilten sich auf, um die Reisegefährten zu umzingeln. Sie musterten den Oger, die Zentaurin, die Dryade, die Elfe, die Sirene und das Mädchen, als wären sie das reinste Kuriositätenkabinett. »Ihr habt die Spalte durchquert?« fragte der Anführer.
Tandy ergriff das Wort für die Gruppe. »Was habt ihr für ein Recht, uns auszufragen? Ich kenne euresgleichen aus den Höhlen. Ihr unterhaltet doch nicht die geringsten nutzbringenden Beziehungen zu zivilisierten Leuten!«
Der Anführer musterte sie. »Wen kennst du in den Höhlen, Mädchen-Ding?«
»Jeden, der dort etwas darstellt«, erwiderte sie. »Die Dämonen, den Schaufler, die Gehirnkoralle…«
Der Anführer wirkte beunruhigt. »Wer bist du?«
»Ich bin Tandy, Tochter des Soldaten Crombie und der Nymphe Juwel. Du weißt schon, die immer die schwarzen Opale pflanzt, die ihr Kobolde dann stehlt, um sie euren Mädchen zu schenken! Das macht meine Mutter! Ohne sie gäbe es nirgends irgendwelche Edelsteine zu finden.«
Die Kobolde murmelten aufgeregt. »Du hast hinreichende Beziehungen«, sagte der Anführer schließlich mißmutig. »Also gut, dann werden wir dich nicht auffressen. Du kannst gehen, Mädchen-Ding.«
»Und was ist mit meinen Freunden?« fragte Tandy mißtrauisch.
»Die haben keine solche Beziehungen. Deren Mütter pflanzen keine Edelsteine in die Felsen. Die werden wir
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