Elfen-Jagd
eine Stunde hineinblicken; meistens kommen sie mit einem Riesenschrecken davon und stehlen danach nie wieder. Mörder werden einen ganzen Tag vor den Kürbis gesetzt. Die verlieren dann auch häufig ihre Seele. Es ist sehr unterschiedlich: Manche Leute sind schlauer als andere, und manche haben einfach mehr Glück. Die Verpfändung wirkt wie ein aufgeschobener Urteilsspruch. Ein, zwei Monate, dann ist alles vorbei.«
»Wie lange hast du Frist, Krach?« fragte Sirene entsetzt.
»Drei Monate«, erwiderte er niedergeschlagen.
»Und du hast uns keinen Ton davon gesagt!« rief sie zornig. »Was für ein Wesen bist du bloß?« Doch sie gab sich selbst sofort die Antwort darauf. »Eines, das sich selbst für andere aufopfert. Krach, du hättest es uns sagen müssen!«
»Ja«, pflichtete Tandy ihr mit schwacher Stimme bei, »ich wußte ja überhaupt nicht…«
»Wie kann man eine solche Verpfändung zunichte machen?« fragte die Sirene mit ihrem Sinn für das Praktische.
»Er muß wieder hineingehen und kämpfen«, sagte Goldy. »Wenn er das nicht tut, wird er einfach immer schwächer, Stückchen um Stückchen, während der Nachthengst seine Seele einzieht. Wenn die Frist erst einmal abgelaufen ist, ist es auch schon zu spät. Man muß es möglichst frühzeitig tun, solange man noch die meiste Kraft hat.«
»Aber man kann sich doch davon befreien, wenn man frühzeitig hineingeht, nicht wahr?« wollte die Sirene wissen.
»Manchmal«, erwiderte das Koboldmädchen. »Es gelingt vielleicht einem von zehn. Einer unserer alten Kobolde hat es angeblich in seiner Jugend einmal geschafft. Wir wissen nicht so recht, ob wir ihm glauben sollen oder nicht. Er murmelt ständig etwas von Prüfungen der Furcht, des Schmerzes, des Stolzes und so weiter, lauter Unfug. Aber theoretisch ist es möglich, den Kampf zu gewinnen.«
»Deshalb ist Krach auch so schwach geworden!« sagte die Sirene. »Er hat seine Kräfte überhaupt nicht geschont, als stünden sie ihm nach wie vor voll und ganz zur Verfügung. Und dabei ist seine Seele krank!«
»Das kenne ich«, hauchte Feuereiche.
»Ich nicht!« sagte Tandy, und ihre Miene wurde finster. »Oh, es ist alles meine Schuld! Ich hätte doch nie meine Seele zurückgenommen, wenn ich gewußt hätte…«
»Ich wußte es ja auch nicht«, tröstete die Sirene das Mädchen. »Aber ich hätte es ahnen müssen. Vielleicht hatte ich auch einen Verdacht, aber ich bin ihm einfach nicht nachgegangen. Ich hatte ganz vergessen, daß Krach gar kein einfältiger Oger mehr ist. Er ist von der komplexen Schlauschlinge befallen, und die läßt ihn wesentlich stärker wie ein Mensch reagieren als sonst.«
»Der Fluch des menschlichen Intellekts, der die urtierhafte Unschuld abgelöst hat«, stimmte Tandy ihr zu. »Ich hätte auch begreifen müssen…«
»Tandy, wir müssen Krach dabei helfen, die Verpfändung seiner Seele rückgängig zu machen!«
»Ja!« stimmte Tandy ihr zu. »Wir können ihn doch nicht einfach so einem Pfandrecht überlassen!«
»Ich helfe mit«, sagte Goldy.
Die Sirene runzelte die Stirn. »Aus welchem Grund? Immerhin wollte dein Stamm uns alle auffressen.«
»Wie soll ich jemals zu einem anderen Koboldstamm kommen, wenn ich keinen kräftigen Oger dabeihabe, der mir den Weg freimacht? Ich glaube, ich weiß, wovon ich rede.«
»Hm, ja, da hast du wohl auch ein Eigeninteresse an der Sache«, meinte die Sirene. »Wir alle brauchen den Oger, bis wir unsere jeweiligen Probleme gelöst haben. Was weißt du über die Kürbisse, was uns helfen könnte?«
»Unsere Leute haben uns sehr viele Einzelheiten über die innere Geographie der Kürbisse berichtet. Im Innern sind alle Kürbisse gleich. Doch jeder dringt an einer anderen Stelle dort ein, und man kann sich auch verlaufen. Deshalb ist es besser, man nimmt sich einen Faden mit, um den Weg zu markieren.«
»Aber man kommt doch sofort wieder heraus, sobald der Sichtkontakt unterbrochen wird! Wie kann man sich da verlaufen?«
»Es ist eine andere Art des Sichverlaufens«, entgegnete Goldy. »Dort drin gibt es eine Menge Bereiche und auch einige recht merkwürdige Effekte. Ein Wanderer im Kürbisland kehrt immer wieder zu der Stelle und an den Zeitpunkt zurück, wo er aufgehört hat, egal, wie lange es her sein mag. Ein Bruch in der Abfolge bedeutet dort keine Veränderung, sondern eben nur eine Unterbrechung. Wenn man sich im Kürbisland verlaufen hat und wieder dorthin zurückkehrt, so weiß man beim nächsten Mal immer noch nicht, wo man
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