Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
dieses Gottes, die dies verursachte? Oder die Absonderlichkeit seiner Gestalt? Oder vielleicht der verzehrende, verbrennende, von Wahnsinn und seelischem Chaos geprägte Blick jenes Monstrums?
Mergun musste darauf achten, nicht gesehen zu werden.
Immer weiter schlich er davon und bald hatte er das Heerlager des Gottes Taykor weit hinter sich gelassen.
Schnell und fast lautlos trugen ihn seine Beine über die flachen Hügel dieses Landes.
Irgendwo hinter dem Horizont lag Balan, die große Hafenstadt an der Küste des Mittleren Meeres: Balan, die Hauptstadt Balaniens.
Vielleicht würde Mergun von Balan aus mit dem Schiff nach Osten segeln. Dort lag irgendwo der Berg der Götter, der von den Menschen Uytrirran genannt wurde. Diesen Berg wollte er besteigen.
Er würde etwas wagen, was sich bisher nicht einmal die Mächtigsten unter den Helden der Sterblichen zugetraut hatten: Er würde die Heimstatt der Götter aufsuchen, vorausgesetzt, die Götter ließen das zu.
Aber wenn er dort oben, auf dem Gipfel dieses mysteriösen Berges auch ein grausames Ende finden sollte - der Berg der Götter stellte für Mergun eine vielleicht letzte Hoffnung dar.
Eine Hoffnung, jenes Land zu finden, nach dem er sich so sehr sehnte.
Die Götter besaßen nämlich ein Buch, das sie selbst vor undenklich langer Zeit geschrieben hatten. Von den Sterblichen wurde es einfach nur DAS BUCH DER GÖTTER genannt. Es sollte auf einem steinernen Altar liegen, hoch oben, auf dem unerreichbar scheinenden Gipfel des Uytrirran.
In ihm, so hieß es, fanden sich alle Zauber und Weisheiten des Universums. Auch der Weg nach Dhum musste hier beschrieben sein.
Mergun hoffte es zumindest.
Einst hatte ein Magier Mergun den Rat gegeben, den Berg der Götter zu besteigen. Vor einigen Jahren war es gewesen, in einer Stadt, an deren Namen er sich nun nicht mehr erinnern konnte. Er war dem Rat des Magiers gefolgt und nun war er hier: viele tausend Meilen von jener Stadt entfernt, einsam und abgerissen.
Die Götter, dachte Mergun. Man trifft sie überall. In tausend verschiedenen Gestalten, Gesichtern, Variationen, Gewändern und Masken. Und unter tausend verschieden Namen, von denen einer so falsch wie der andere ist. Wo nehmen sie das Recht her, über die Erde zu herrschen? Ist es nicht lediglich das Recht des Stärkeren, auf das sie sich berufen können?
Mergun lächelte zynisch.
Aber was geht das alles mich an? Was habe ich mit dieser Sache zu tun? Ich bin frei, gehorche weder den Menschen, noch den Göttern und gehe den Weg, den ich als den richtigen erkannt habe...
Für den einsamen Wanderer war nur Dhum wichtig.
Für Dhum würde er alles riskieren, alles einsetzen.
*
Endlich gelangte Mergun auf eine Straße, was ein Zeichen dafür war, dass er nun in die zivilisierte Küstenregion eindrang. Er folgte jener Straße, da er annahm, dass sie nach Balan führte. Große Straßen führten zu großen Städten.
Nach einer Weile sah er eine kleine, zwergenhafte Gestalt am Straßenrand sitzen.
Der Zwerg schaute nicht auf, als Mergun sich näherte und machte ihm auch sonst einen recht merkwürdigen Eindruck.
„Heh, guten Tag!“, rief Mergun.
Zwei traurige Augen blickten zu ihm auf und Mergun erschauderte beim Anblick dieser Augen.
Mergun hatte gleich erkannt, dass diese Gestalt zum Volk der Gnome gehörte, das in den eisigen Tundren des Nordostens lebte.
„Hast du einen Augenblick Zeit?“, fragte der Gnom plötzlich.
Mergun spürte die tiefe Melancholie, die aus der Stimme des anderen sprach.
„Zeit? Wofür soll ich Zeit haben?“, fragte Mergun zurück.
„Zeit, um dich mit mir zu unterhalten, Fremder! Komm, setz dich zu mir!“
Mergun zuckte die Achseln.
Warum nicht?
Er war müde und schon seit Stunden unterwegs, ohne eine Pause gemacht zu haben. So setzte er sich zu dem Gnom.
„Es ist nicht so, dass ich deine Zeit in Anspruch nehmen will, ohne dass du etwas dafür bekommst“, erklärte der Gnom und Mergun zog beide Augenbrauen in die Höhe.
Der Kleine sah nicht gerade so aus, als könnte er viel abgeben. Er schien (ebenso wie Mergun) nur das zu besitzen, was er am Leibe trug.
Ein spöttisches Lächeln spielte um den Mund des Wanderers.
„Was willst du mir geben?“, fragte er mit ironischem Unterton.
Das düstere Gesicht des Gnoms hellte sich für den Bruchteil eines Augenblicks etwas auf.
„Kommt ganz darauf an, was du haben willst.“
„Behalte es lieber für dich, Kleiner! Du siehst mir nicht gerade wie ein
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