Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
„Lasst ihn reden, Freunde. Erinnert ihr euch etwa nicht mehr an ihn? Er war es, der diesen Sieg überhaupt erst möglich machte!“
Die Sterblichen blickten zu ihrem Gott auf, als schenkten sie seinen Worten nicht so recht Glauben.
Nerik trat näher, zynisch lächelnd und die Hand am Schwertgriff.
„Ihr, Mergun und auch Ihr, Lari, werdet nie freiwillig aufhören Götter zu sein, das weiß ich. Niemand könnte das. Die Macht ist eine süße Frucht, mein Freund. Für Menschen und Götter gleichermaßen.
Ihr werdet ihr nicht widerstehen können.“
„Ich habe es mir fest vorgenommen.“
„Mag sein. Aber das haben schon so viele andere vor Euch … Ihr werdet es nicht schaffen, das weiß ich jetzt bereits so genau, als wäre es eben passiert. Der ewige Kreis der Geschichte wird sich schließen, alles wird wieder von vorne beginnen. Die Menschen werden erneut Götter anbeten und erschaffen. Und da Ihr beide ja bereits da seid und Euch um die Befreiung der Sterblichen verdient gemacht habt, werden sie Euch auf die höchste Stufe der langen Leiter der Macht stellen. Oh, glaubt es mir doch, nie könntet Ihr dieser Versuchung widerstehen, meine Freunde!“
In Neriks Gesicht lag eine stumme Bitte, ein Flehen um etwas Unmögliches. Merguns Züge wurden jetzt sehr düster. Ja, er erkannte jene Gefahr ebenfalls, von der Nerik gesprochen hatte. Und Achad Sei hatte sie schon vor langer Zeit erkannt, damals, als er dem Volk der Lanar die Revolution versprach.
Diese Revolution, so erkannte Mergun nun insgeheim, scheint unter einem schlechten Stern geboren zu sein.
„Ihr wollt etwas von Lari und mir, nicht wahr?“, fragte Mergun schließlich. „Dann sagt es frei heraus, Nerik!“
„Ich bitte Euch beide im Namen jener Sache, der ich mich verschrieben habe und der auch Ihr einst dientet, um einen Gefallen.
Es geht um die Freiheit des Menschen! Es geht um sehr viel! Wenn Ihr mir diesen Gefallen versagt, meine beiden göttlichen Freunde, dann wird alles das, was wir gemeinsam erkämpft haben, zunichte gemacht, dann wird sich der ewige Kreis der Geschichte erneut schließen und jener Zyklus von Ereignissen, wie wir sie in der letzten Zeit erlebt haben, wird sich wiederholen. Und das darf nicht sein! Die Menschen werden erneut Götter erschaffen, alles Leiden wird von vorn beginnen.
Der Gefallen, um den ich Euch beide jetzt bitten möchte, ist der letzte, um den Euch jemand bitten wird. Ihr habt wahrhaft große Dinge vollbracht, aber Euer Werk ist noch nicht vollendet. Ich bitte Euch, erweist der Menschheit diesen letzten Dienst, mit dem Ihr alles zur Vollendung führen könnt, mit dem Ihr jenes furchtbare System, nach dem diese Welt funktioniert, durchbrechen könnt!“ Düstere Ahnungen plagten Mergun. Langsam begriff er, langsam erahnte er, welchen Dienst Nerik meinte. Dennoch fragte er:
„Was ist es für ein Dienst, von dem Ihr sprecht, Nerik? Was für ein Gefallen, um den Ihr mich zu bitten beabsichtigt?“
„Habt Ihr es wirklich noch nicht erraten, Freund Mergun?“
„Nein.“
„Ihr und Lari müsst sterben.“
Schweigen herrschte für mehrere Augenblicke.
„Sterben?“, fragte Lari. „Jetzt, im Augenblick des Sieges, sollen wir uns in den Tod stürzen?“
„Tut es bald, meine Freunde“, riet Nerik. „Mit jedem Augenblick, den ihr wartet, wird es für Euch größere Qualen bedeuten zu sterben, bis ihr einen Punkt erreicht, wo Ihr nicht mehr umzukehren vermögt.
Kostet nicht länger von der süßen Frucht der Macht, oder Ihr werdet ihr erliegen!“
Lari war aufgestanden und hatte sich neben Mergun gestellt. Ihre braunen Augen musterten die seinen.
„Du hast es geahnt, nicht wahr? Du hast es von Anfang an geahnt, Mergun!“, sagte sie. Und Mergun nickte.
„Ja.“
„Aber …“
„Ich hatte gehofft, dass es einen anderen …“
„Oh, Mergun!“, rief sie. „Es kann nicht wahr sein, was Nerik sagt!“ Und Mergun wandte dem Mann ohne Gedächtnis einen Blick zu, der einem Sterblichen das Blut gefroren hätte. Aber Nerik kümmerte er wenig. Er würde diese Augen, dieses Gesicht und alles sonst ohnehin in nicht allzu weiter Ferne vergessen haben.
Es ist wahr, was er sagt! Es ist wahr!, sagte eine Stimme in Mergun, aber der rebellierende Gott sträubte sich gegen diese innere Stimme. Er versuchte, sie brutal zu unterdrücken. Aber immer wieder kam sie zurück an die Oberfläche seines Bewusstseins und bereitete ihm Sorge.
NEIN! NEIN! NEIN! ICH KANN NICHT!, hämmerte er sich immer und immer
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