Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
verschiedenen Kulte damit zufriedengegeben, wenn die Bürger der Form halber ihre rituellen Pflichten erfüllten. Dafür wurden ihnen Sünden vergeben, man versprach ihnen ein besseres Jenseits oder irgendetwas anderes. Jetzt aber, da Ihr ein derart provokantes Vorhaben in aller Öffentlichkeit ankündigt, da kommen sie wie die Ratten aus ihren Löchern und wollen genauestens wissen, auf wessen Seite man steht: auf der Seite der Rechtgläubigen, auf der Seite der alten, wahren Weltordnung, so wie sie seit Anbeginn der Zeiten besteht und wie sie durch die Götter geschaffen wurde – oder auf Eurer Seite, Herr Lakyr! So werdet Ihr früher oder später Delengi-a-Brualssm begegnen, einem Priester des Arodnap, der eine Meute von Räubern zusammengebracht hat und jeden aus dem Weg räumt, der …“
„Wir sind diesem Delengi bereits begegnet“, unterbrach ihn Lakyr. „Und wir konnten ihn und seine Rotte von Gesindel in die Flucht schlagen. Aber ich verstehe Euch sehr gut: Es bedarf großen Mutes, mich gegenwärtig öffentlich zu empfangen. Und woher, so frage ich mich, kommt Euer Mut, Herr Urgssinn, wo ich Euch doch gut genug kenne um zu wissen, dass Ihr von Natur aus nicht mit allzu viel davon ausgestattet seid?“ Lakyr lachte zynisch. Es war absolut unnötig, diesen Mann weiter in den Staub zu treten.
Die Rolle, die er gegenwärtig in dieser Schmierenkomödie innehatte, war ohnehin schon erbärmlich genug. Aber Lakyrs Eitelkeit forderte unerbittlich Genugtuung. Ohne die hätte sie ihm keine Ruhe gelassen.
„Ich sage Euch“, so fuhr Lakyr fort, „es ist gar kein Mut vorhanden, sondern einzig und allein Furcht. Ihr habt einerseits Furcht vor den Malintern, allen voran Delengi-a-Brualssm, aber andererseits wisst Ihr auch mich zu fürchten, denn dieses Haus gehört – bedenkt man die Schuldscheine, die Ihr mir unterschreiben musstet – bereits ebenso sehr mir, wie es Euch gehört.“
Urgssinn war blass geworden, sein Mund stand vor Schrecken weit offen, während Lakyr lächelte und die Situation, deren uneingeschränkter Herr er nun war, genüsslich auskostete wie einen guten Wein – sorgsam darauf bedacht, keinen Tropfen zu verschütten
…
Er wandte sich an mich.
„Ich denke, werter Keregin, dass wir im Moment nichts zu befürchten haben, denn ganz offensichtlich ist seine Angst vor mir noch weitaus größer als seine Furcht vor Delengi, diesem fanatischen Priester und seiner Horde. Sollte sich das Schwergewicht seiner Angst jedoch einmal auf die andere Seite, auf die Delengis nämlich, verlagern, so würde er uns ohne Skrupel verraten oder ausliefern …“
*
Die Quartiere waren – gemessen an den
Übernachtungsmöglichkeiten an Bord eines Flussschiffes – luxuriös und enthielten keinerlei Grund zur Beanstandung. Die Diener des Hauses trugen ein vorzügliches Mahl auf – und hätte das alles unter anderen Vorzeichen stattgefunden, man hätte sich sicher vorzüglich amüsieren können.
Urgssinns Frau trug den Namen Gele’endra und war eine Person von großem Stolz, die eine gewisse Würde auszustrahlen in der Lage war. Zwar war ihr Haar inzwischen ergraut, aber ihr Gesicht war feingeschnitten und ihre Augen hellwach.
Dem Eindruck nach, den sie in der Öffentlichkeit verbreitete, war sie zurückhaltend und höflich. Sie konnte ihr Verhalten in außergewöhnlich guter Weise kontrollieren, womit sie im Gegensatz zu ihrer einzigen Tochter stand: Fellgeva war ein launenhaftes, streitsüchtiges Wesen, dem jeder – Vater und Mutter eingeschlossen –
gern aus dem Weg ging. Wie ich allerdings später durch Lakyr erfuhr, der über die Verhältnisse in Malint eindeutig besser informiert war als ich, war Gele’endra (trotz ihrer scheinbaren Harmlosigkeit) eine Intrigantin ersten Ranges, die es geschickt verstand, verschiedene Temperamente gegeneinander auszuspielen.
Mit am Tisch saß auch noch Gosronnib, der Verwalter dieses Anwesens – ein dicker, stattlicher und etwas grobschlächtig wirkender Mann, dessen erstes Interesse der Speise zu gelten schien. Was die stattfindenden Gespräche anging, so blieb er weitgehend teilnahmslos.
„Wie lange gedenkt Ihr in Malint zu bleiben?“, erkundigte sich Gele’endra-a-Terdarembis kühl.
Lakyr zuckte, ohne sich die Mühe zu machen, von seinem Stück Braten zu ihr aufzusehen, mit den Schultern und meinte:
„Wir werden sehen. Vielleicht zwei Nächte. Vielleicht auch länger. Ich weiß es noch nicht. Ich habe noch dem einen oder anderen
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