Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
anbetraf. Dergleichen hatte ich noch nicht gesehen. Er riss mit einer schnellen Bewegung einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn in den Bogen spannte ihn und schoss. Kaum den Bruchteil eines Augenblicks nahm er sich Zeit um zu zielen.
Ich glaube nicht an die Magie und das Schamanentum. Aber wenn es so etwas wie Zauberei entgegen meiner Wahrnehmung der Dinge doch gegeben hat, dann war dieser Bogenschütze ein lebendiges Beispiel für sie.
Es starben noch zwei oder drei weitere von des Priesters Männern, ehe sich die Reiterschar endgültig zurückzog und davon preschte.
Aber Ganjon, der Bogenschütze, hielt trotz alledem nicht ein mit dem Schießen. Pfeil um Pfeil sandte er hinter den Davoneilenden her und hörte erst damit auf, als die Reiter außerhalb seiner Reichweite waren. In seinem Gesicht las ich nackte Mordlust, was mir einen kalten Schauder über den Rücken jagte. Der Bogenschütze grinste mich hässlich an und entblößte sein wuchtiges Gebiss.
Nun, dieser Mann hatte unser Leben gerettet. Wäre er nicht in unserer Begleitung gewesen, so hätte unsere Expedition bereits ein jähes Ende gefunden, bevor wir auch nur die relativ engen Grenzen der Republik Palniarak erreicht gehabt hätten.
Eigentlich, so sollte man meinen, war dieser Vorfall ein Anlass dazu, meine Meinung über diesen Menschen zu ändern, und ich versuchte mir selbst einzureden, dass ich ihn mit zu vielen Vorurteilen gesehen hatte. Wie gesagt, ich verdankte ihm mein Leben.
Dennoch blieben Misstrauen und eine gehörige Portion Abneigung, wie ich hier ganz offen zugeben muss. Doch zurück zum eigentlichen Fluss des Geschehens:
Die Schaulustigen, die sich hier versammelt hatten um mitzuerleben, wie die gemeinen Frevler und Ketzer ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden, schienen wie gelähmt zu sein vor Entsetzen.
„Wer war das, der gerade diese Reiterschar gegen uns gehetzt hat?“, rief Lakyr-a-Dergon ungehalten der Menge entgegen, doch es schien ihm niemand antworten zu wollen. Scheu wichen sie vor ihm zurück, als er näher trat; es war, als glaubten sie, dass ihm übernatürliche, verderbliche Kräfte innewohnten.
„Wer?“
Lakyr atmete tief durch. „Es war ein Priester des Arodnap, nicht wahr? Mir ist die Robe nicht verborgen geblieben!“ Lakyr packte einen der Bürger beim Kragen. „Sag mir: War es der Priester des Arodnap-Kultes?“
„Ja, Herr. Der war es!“, stammelte der unglückliche Mann in höchster Not.
„Wie ist sein Name?“
„Herr …“
„Wie ist sein Name?“
„Delengi, Herr. Sein Name ist Delengi-a-Brualssm!“ Lakyr nickte leicht und ließ den Mann los.
„Sagt diesem Delengi-a-Brualssm, ich besäße Zauberkräfte, die die seines Gottes Arodnap weit in den Schatten stellen würden!“ Lakyr lachte, studierte eingehend die Gesichter der erschrockenen Bürger und lachte abermals. „Es ist einzig und allein ein Akt des Großmuts, dass ich ihn persönlich diesmal noch habe davonkommen lassen … Ich bin ein Menschenfreund und es gefiel mir so, ihn am Leben zu lassen
… Aber wehe ihm, wenn ich ihn eines Tages tot sehen will!“ Die Menschen wussten nicht so recht, ob sie Lakyr Glauben schenken sollten oder nicht. Ihre Gesichter verrieten Zweifel und Angst, aber auch Unsicherheit. Sie waren beeindruckt von Lakyr, auch wenn sie ihn fürchteten – so wie sie den Zorn ihrer Götter fürchteten.
Lakyr seinerseits genoss, wie mir keinesfalls verborgen blieb, diese Situation auf eine höchst morbide, unschöne, ja man muss sagen zynische Art und Weise. Er trieb seinen grausamen Spott mit der Dummheit und Einfalt der Menschen von Malint.
*
Urgssinn-a-Terdarembis hieß jener Mann, bei dem Lakyr sich für diese Nacht einzuquartieren gedachte. Es handelte sich hierbei um einen alten, vielleicht etwas heruntergekommenen Freund der Familie, dessen Geschäfte schon seit langem nicht mehr so gingen, wie Urgssinn selbst sich das gewünscht hätte.
Lakyr hatte diesen Namen fast vergessen gehabt, denn – wie gesagt- wer braucht schon Bekannte in Malint?
Wohl nur jemand, der vorhat, den Rir hinaufzusegeln und das wiederum war nur etwas für Verrückte, Abenteurer, reiche Müßiggänger, Einsiedler, die die Einsamkeit suchten – oder aber für jemanden, der das Wohlwollen der Götter zu strapazieren gedachte!
Nachdem wir eine Weile am Hafen gewartet hatten und die Sonne sich anschickte, hinter dem Horizont zu versinken, kam ein – für diese ländlichen Verhältnisse – luxuriöser Wagen herbei. In
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