Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
wieder verdrängte er solche Gedanken.
Nach einigen Stunden legten sie eine kurze Rast ein und aßen etwas.
"Dies scheint ein menschenleeres Land zu sein", meinte Lakyr, wobei er sich einen Bissen in den Mund stopfte. Ja, es war tatsächlich so. Weit und breit war niemand zu sehen. Nur ein leiser Wind pfiff über die seichten Hügel. Vorsichtig strich er über das Gras und krümmte es. Kiria blickte Edro an, aber er erwiderte ihren Blick nicht.
Nachdenklich starrte er auf die sich biegenden Grashalme.
"Worüber macht Ihr Euch Gedanken, Edro?", fragte sie dann nach einer Weile und der Dakorier wandte ruckartig den Blick zu ihr.
"Da ist eine Frage, die mich quält. Sie kehrt in gewissen Zeitabständen wieder und stellt sich mir immer von neuem", erklärte er. Kiria runzelte die Stirn.
"Was ist das für eine Frage?"
"Ich frage mich, warum ich bin. Ich frage nach dem Sinn meines Lebens - wenn es so etwas überhaupt gibt. Vielleicht finde ich in Elfénia eine Antwort auf meine Frage,wer weiß?" Ein trauriger Glanz trat in seine Augen, so wie Kiria es von ihm gewohnt war.
"Ich verstehe Euch mit jedem Tag schlechter, Edro. Ihr sucht ein Land, das es nicht gibt und sucht Antworten auf Fragen, die völlig unsinnig sind. Es gibt keine Antwort auf Eure Frage!" Sie schüttelte den Kopf und ihre braunen Haare fielen ihr ins Gesicht. Ihre blauen Augen sahen auf den Grasboden, so, als könne sie auf ihm irgendwelche Dinge lesen.
"Mir kommt das Leben verdammt sinnlos vor!", sagte Mergun düster. Seine Augen verengten sich etwas, als er weiter sprach.
"Wir sind dazu verflucht, ein Land zu suchen, das es vielleicht gar nicht gibt, wir sind dazu bereit, um die halbe Welt zu reisen, um einen Hinweis zu finden, der uns unter Umständen den Weg in dieses Land weisen kann. Ich suche ein Land, in dem ich vielleicht schon einmal gewesen bin und es wieder verließ, weil es zu unmenschlich war. Aber dennoch suche ich wie ein Verrückter nach ihm und nehme selbst die Gefahren einer Reise zum Berg der Götter auf mich, obwohl ich ahne, dass Elfénia nicht das Land meiner Träume ist. Wer sagt mir, wo da in all diesem Chaos noch ein Sinn liegt? Nein, Freunde, das Leben ist ein Chaos - das Schicksal ist kein wohlgewebtes Netz oder ein ewiger Kreis! Nein, es ist ein Haufen ineinander verknoteter und verwirrter Wollknäule. Keinerlei Ordnung oder Gesetzmäßigkeit oder Sinn ist dort. Bevor man sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt, Edro, sollte man sich fragen, ob es einen solchen Sinn überhaupt gibt."
Wieder wanderte ein Bissen in seinen Mund und er verschlang ihn wie ein wildes Tier.
"Da bin ich anderer Meinung, Freund Mergun. Es muss einen Sinn in diesem Leben geben - und wenn er darin besteht, dass der Mensch erkennen muss, dass es keinen Sinn im Leben gibt." Das war Edro. Er sah wieder verträumt und traurig auf die sich biegenden Grashalme, mit denen der Wind nach Belieben spielte.
"Es ist paradox, was Ihr sagt, Edro. Aber ich glaube, es liegt mehr Wahrheit darin, als man anfänglich meint", mischte sich jetzt Lakyr ein.
"Es ist ganz und gar paradox!", brummte Mergun.
"Viele Dinge sind paradox. Warum nicht auch dieses?", war Edros Antwort. Lakyrs bepelzte Freundin miaute leise, gerade so, als wollte sie auch etwas zum Gespräch beitragen. Lakyr war sich manchmal nicht ganz sicher, ob sie vielleicht die Sprache der Menschen zu verstehen vermochte.
"Wir müssen weiter", sagte Mergun plötzlich. Sie packten ihre Sachen zusammen und machten sich wieder auf den Weg. Das Gelände wurde zunehmend flacher, je weiter sie sich dem großen Ghorrap-Strom näherten. Am Abend erreichten sie ein winziges Dorf, Tasmaderi genannt. Auf keiner Karte war es verzeichnet gewesen, so klein war es. Einst hatte es viele Dörfer dieser Größe unterhalb der Mündung des großen Stroms gegeben, aber die meisten waren jetzt verlassene Ruinen. Auch in Tasmaderi standen viele Häuser leer. Vor allen Dingen die jungen Leute waren ausgewandert und hatten in der Riesenstadt Ghormall ihr Heil gesucht. Doch nur die wenigsten hatten es gefunden. Die Lette von Täsmaderi aber waren sehr freundlich und zuvorkommend. Sie gestatteten den vier Wanderern gern, sich in den verlassen stehenden Häusern einzuquartieren. Als sich Edro jedoch bei einem von ihnen nach dem großen Strom erkundigte (den er zu seinem Erstaunen nirgends sah), erlebte er eine herbe Enttäuschung.
"Mindestens noch eine Tagesreise", hatte der Gefragte geantwortet. So hatte der
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