Elfen wie Stahl
die Kehle hinunter. Inja erinnerte sich, öffnete den Mund und schrie. Das harsche, heisere Geräusch hallte in ihren Ohren.
»Immer mit der Ruhe, Mädchen, so schlecht sehe ich gar nicht aus.«
Inja schloss den Mund und öffnete die Augen. Zunächst konnte sie im Licht der Lampen nur glänzendes Metall und rote Locken erkennen. Sie war immer noch im Stall, lag jetzt jedoch auf einer der strohgefüllten Matratzen, die die Helfer benutzten, und unter einer Decke. Sie fröstelte und zog sie fest um sich. Ihre Sehkraft wurde klar, und sie konnte einen Mann ausmachen, der einen Helm aus glänzendem Metall und einen Kürass trug, ein Kavallerieoffizier. Es standen noch weitere Männer um ihre Liege herum. Ihre Mienen zeigten eine Mischung aus Trauer und Ekel. Seltsamerweise hockte auch ein weiÃer Vogel am FuÃende ihres Bettes, den Schnabel unter einen Flügel gesteckt. Er schien zu schlafen.
»Wer ⦠seid ⦠Ihr?«, fragte sie. Jedes Wort klang trotzig.
»Ah, selbstverständlich, wir wurden uns noch nicht ordentlich vorgestellt.« Der Offizier stand auf und nahm seinen Helm ab. Der lange Federbusch aus Pferdehaar streifte ihren nackten Arm, der auf der Decke lag. »Ich bin der Herzog von Harkenhalm, Oberst Jaal Edrahar, Lordkommandeur der
Kavallerie Ihrer Majestät in Elfkyna. Und diese Herren hier sind mein Stab.« Er deutete mit einer behandschuhten Hand auf die kleine Gruppe. Die Männer verbeugten sich und nickten ihr zu. »Wir bekamen die Nachricht, dass wir so rasch wie möglich dem Vizekönig einen Besuch abstatten sollten, und fanden Sie hier auf dem Boden vor, verletzt.«
Seine tiefe Stimme klang rau, aber seine Freundlichkeit verlieh ihr etwas Sanftes, Beruhigendes. Und sein Lächeln strahlte sogar heller als das Licht der Laternen, trotz der vielen Narben auf seinem Gesicht. Inja hob die Hand und betastete die Haut an ihrem Hals. Sie war vernarbt und fühlte sich unter ihren Fingerspitzen kalt an. »Ich bin Inja, Mylord. Ich arbeite in den Stallungen. Ich war hier, als der Vizekönig kam«, fuhr sie fort. Sie verstand jetzt, warum sich einige der Offiziere abwandten. »Er hat Hizu genommen und ist verschwunden. Ich wusste, was passieren würde, aber ich konnte ihn nicht aufhalten.« Als Inja an Hizu dachte, begann sie zu schluchzen.
»Aber nein, Kleine, tun Sie das nicht. Sie sind ganz bestimmt noch nicht so weit gekommen. Wir werden diesen Mistkerl aufspüren und Hizu zurückholen«, sagte der Herzog und sah seine Offiziere an.
»Hizu ist tot; schlimmer als tot. Der Vizekönig hat ihn verändert, so wie er selbst verändert worden ist.« Sie setzte nicht hinzu: so wie ich verändert wurde, tastete jedoch erneut mit ihrer Hand zu ihrem Hals. Sie konnte nicht aufhören zu zittern. Der Herzog nahm sanft ihre Hand und legte sie auf die Decke. Einer seiner Offiziere legte eine Schabracke über sie. Die dicke, warme Lammwolle war sehr schwer.
»Ich verstehe nicht«, antwortete der Herzog, der sie nach wie vor anlächelte.
»Dann werde ich es Euch zeigen«, sagte sie, packte die Hand
des Herzogs und zog sich daran hoch. Die Schabracke legte sie sich wie einen Schal um die Schultern und stand auf. Diese Bewegung weckte den Vogel, einen Pelikan, wie sie jetzt sah. Er schlug ein paarmal mit seinen Flügeln, rülpste dann und schob anschlieÃend seinen Schnabel wieder unter eine Schwinge.
Inja ging einige Schritte und wäre gefallen, hätte der Herzog nicht seine Hand um ihre Taille gelegt.
»Immer mit der Ruhe, Inja. Ich glaube, Sie sollten sich ausruhen.« Er versuchte, sie zum Bett zurückzuführen. »Wir müssen ein Feuer machen, um Sie aufzuwärmen.«
Inja schüttelte den Kopf. »Nein, Ihr müsst es erst sehen. Er wird noch viel mehr Menschen töten. Es ist der Tisch«, sagte sie und deutete zum Palast.
Der Herzog gab seinen Versuch auf, sie zum Hinsetzen zu bewegen. »Vielleicht sollten Sie sich doch lieber hinlegen. Tische können Ihnen nichts tun, es sei denn natürlich, man wirft damit nach Ihnen.« Er versuchte, sie zum Lachen zu bringen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Ihr irrt Euch. Es ist nicht nur ein Tisch. Die Seele von etwas Dunklem ruht darin. Es erinnert sich ⦠Es erinnert sich, dass es ein Baum gewesen ist, und es ist wütend.«
»Oh, ich weià ein paar Dinge über Wolfseichen und die Lange Wacht
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