Elfenblick
gehörte zu den magischen Gegenständen hier im Haus seines Meisters, mit denen er lieber nicht in Berührung kommen wollte.
Ferocius lachte wieder, heiser dieses Mal und nur kurz, als mache er sich über Damorians Ängstlichkeit lustig.
»Was betrachtest du meine Sphära mit solcher Skepsis? Das ist ein sehr, sehr nützliches Instrument.« Er strich mit dem langen Nagel seines Zeigefingers fast liebevoll über das Glas, wodurch ein kreischendes Kratzen ertönte. »Gerade eben zum Beispiel hat mir die Kugel verraten, dass das Mädchen weit dümmer ist, als ich vermutet hätte. Und dass es mir die Umsetzung meines Planes so leicht gemacht hat, dass es schon beinahe an eine Beleidigung grenzt. Als ob ich solchen Leichtsinn nötig hätte, um meine Ziele zu erreichen, pah!«
Damorian verstand nicht, wovon der Meister sprach, aber er wagte auch nicht nachzufragen. Die Hand am Knauf seines Schwertes, wartete er auf eine Erklärung oder zumindest darauf, dass der Meister ihm eine Aufgabe geben würde. Er musste nicht lange warten.
»Nun, da sie in die Traumwelt gestiegen ist, ist ihr Körper ungeschützt. Das ist gut. Aber ich brauche ihren Körper, ansonsten könnten meine Pläne doch noch scheitern. Deshalb müsst ihr mir diesen Leib bringen, aus dem der Geist entwichen ist. Und zwar schnell. Stell eine Truppe deiner besten Kämpfer zusammen, eine kleine Armee, um genau zu sein. Führe sie zu der Höhle mit dem Wasserfall. Dort müsst ihr sie suchen.«
»Aber«, wandte Damorian ein, »Golmir hat gesagt, dort gebe es nur den See und den Wasserfall …«
»Unsinn«, unterbrach Ferocius seinen Diener ungeduldig. »In dieser Höhle hat sie sich versteckt. Und ich habe auch schon eine Vorstellung davon, wo und vor allem bei wem sie untergeschlüpft ist. Keine Angst, ich werde dafür Sorge tragen, dass ihr ungehindert an das Mädchen herankommt. Und jetzt geh. Beeil dich!«
Mit schnellen Schritten verließ Damorian den Raum, um seine Truppe zusammenzurufen. Noch bevor die Tür ins Schloss gefallen war, hatte der Meister sich bereits wieder der schwebenden Kugel auf dem Tisch zugewandt und strich beinahe zärtlich mit seinen knochigen Fingern darüber.
Gleißendes, weißes Licht bohrte sich in Magelis Pupillen, als sie die Augen öffnete. Sie hatte schon damit gerechnet und zwang sich, die Lider nicht sofort wieder zu schließen. Das Licht brannte wie Feuer, und Tränen liefen Mageli die Wangen hinunter, während sie sich umblickte, um einen Eindruck davon zu gewinnen, wo sie sich eigentlich befand. Es war genau wie in ihren vorangegangenen Träumen: Um sie herum erstreckte sich eine endlose, weiße Fläche ohne Anfang und Ende, ohne Berge und Täler und ohne Horizont. Auch der Himmel – oder was auch immer es war, das sich über ihr wölbte – war grellweiß. Nichts und niemand war in dieser farblosen Ödnis zu sehen.
Mageli seufzte, während sie sich für einen kurzen Augenblick gestattete, die Augen zu schließen. Wie sollte sie Erin hier finden? War er überhaupt hier? Oder befand sie sich schlicht im falschen Traum?
»Erin?« Mageli bemühte sich, laut und deutlich zu rufen, doch sie kam sich komisch dabei vor, seinen Namen in diese vollkommene Leere hinauszubrüllen. Ihre Stimme verklang auf der weiten Ebene.
»Erin?«
Keine Antwort. Nein, so kam sie nicht weiter. Aber wie dann? Mageli blickte sich noch einmal um, obwohl sie wusste, dass sie nichts anderes als grelles Weiß sehen würde. Sie musste losgehen, um Erin zu suchen. Aber wohin? Alle Richtungen waren gleich, alle Wege identisch … Unentschlossen drehte sie sich mehrmals im Kreis.
Und plötzlich wusste sie genau, wohin sie gehen musste. Es war kein klarer Gedanke, nur ein Gefühl, und es gab keine logische Erklärung, aber Mageli war einfach sicher, dass Erin dort auf sie wartete.
Diese Landschaft, wenn man es überhaupt so nennen sollte, war wirklich seltsam. Während Mageli vorwärtsstapfte, fiel ihr nach und nach auf, dass im Grunde alles fehlte, woran sie sich hätte orientieren können. Es gab keine Gerüche, keine Geräusche, keinen Wind und es schien noch nicht einmal Wärme oder Kälte zu geben. Nur dieses grelle Weiß. Mageli fragte sich bald, ob sie nicht im Kreis lief, ohne es zu bemerken, und niemals dort ankommen würde, wo Erin war. Wenn er überhaupt hier war.
Als sich schließlich vor ihr etwas weißlich Schimmerndes erhob, dachte Mageli zunächst, es müsse sich um eine Sinnestäuschung handeln. Aus der Ferne sah es aus wie
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