Elfenblick
richtete sie ihre Aufmerksamkeit nicht nach außen, sondern nach innen, bis sie das mittlerweile vertraute Brennen in ihrer Brust spürte. Sie lenkte die magische Kraft auf den Nebel und formte einen einfachen Befehl in ihrem Kopf: Öffne dich!
Direkt vor ihr glitten die weißen Wände auseinander. Ha! Eilig schob Mageli sich durch den engen Durchgang, und augenblicklich schloss sich die Öffnung wieder.
»Ondulas, du musst nicht die ganze Zeit neben ihr hocken und ihren Schlaf bewachen«, tadelte Alawin.
Von Ondulas war nur ein undeutliches Knurren zu hören.
Mageli schüttelte erneut den Kopf. Sie wollte die Stimmen jetzt nicht hören, sondern sich voll auf ihre Aufgabe hier im Traum konzentrieren. Ohne Ablenkung von außen. Aber die Stimmen ließen sich nicht abschalten.
»Ondulas, mach dich nützlich. Wir müssen uns vorbereiten.«
Wieder ein Knurren.
»Du kannst ihr jetzt nicht helfen. Sie wird aufwachen, wenn ihre Aufgabe vollbracht ist – oder endgültig fehlgeschlagen. Wenn sie dich braucht, dann draußen im Kampf gegen Ferocius’ Schergen.«
»Aber wenn es zum Kampf kommt, dann sollte ich hier an ihrer Seite sein und sie beschützen. Das habe ich versprochen.«
»Ondulas, bitte, wenn du hinausgehst, stehen deine Chancen viel besser, etwas auszurichten. Rikjana und die anderen müssten jeden Augenblick hier sein. Du musst dich bereit machen.«
Mageli meinte zu hören, dass sich direkt neben ihr jemand umständlich erhob. Aber da war natürlich niemand. Es musste also Ondulas sein, der Alawins Anweisung Folge leistete.
»Wie sieht es denn aus?«, fragte der Elf.
Alawin seufzte erleichtert.
»Sie haben am gegenüberliegenden Ufer Aufstellung bezogen. Es sind weniger Krieger, als ich befürchtet hatte. Aber wenn ich es richtig gesehen habe, dann ist der Schattenfürst selbst unter ihnen.«
»Das gefällt mir nicht. Dann sollten wir uns tatsächlich vorbereiten.« Ondulas’ anfänglicher Unwille schien seiner üblichen Kampfbereitschaft gewichen zu sein. Schon hörte Mageli seine Schritte, die sich schnell entfernten, und seine Stimme drang nur noch leise und undeutlich zu ihr. »Ich bleibe in deiner Nähe, kleine Elfe.«
Während Mageli dem Gespräch gelauscht hatte, hatte sie begonnen, sich einen Weg durch die hohen Nebelwände zu suchen. Das war allerdings ebenso schwierig, wie überhaupt hineinzugelangen. Denn auch jetzt noch verschoben sich die Wände ständig gegeneinander, und hatte Mageli einmal einen passierbaren Weg entdeckt, so endete dieser meist nach kürzester Zeit in einer Sackgasse. Dann wieder öffneten sich vor ihr drei Abzweigungen zur gleichen Zeit, und sie hatte nicht den blassesten Schimmer, welche sie wählen sollte. Es war wie in einem gewaltigen Labyrinth, nur dass Mageli keine Chance hatte, den Weg, den sie bereits zurückgelegt hatte, zu markieren, um irgendwann wieder herauszufinden, weil er sich ohnehin ständig verschob.
Wenn Mageli versuchte, den Nebelwänden magische Befehle zu erteilen, reagierten diese einfach nicht mehr auf ihre magischen Kräfte. Entweder machte sie selbst einen Fehler, der ihr nicht bewusst war, oder derjenige, der dieses Labyrinth erschaffen hatte, hatte dafür gesorgt, dass das Labyrinth mit Magie nicht zu beherrschen war.
Mageli fühlte sich mehr und mehr erschöpft. Erst die Wanderung über die endlose weiße Wüste und nun das Herumirren in diesem Labyrinth, wobei sie das Gefühl nicht loswurde, dass sie bislang noch kein Stück vorangekommen war.
Momo fiel ihr ein – ein Buch, das sie als Kind verschlungen hatte. Genauso kam sie sich vor: wie Momo, die im Zeitkanal einfach nicht vorwärtskommt. Und je mehr sie sich bemühte, desto schwerer fiel es ihr. Was hatte Momo noch mal gemacht? Sie war rückwärts gegangen. So einfach und doch so genial! Ob das in diesem Labyrinth auch funktionierte?
Mageli drehte sich um und machte einige Schritte nach hinten, schaute über ihre Schulter und seufzte: Es sah alles noch genauso aus wie zuvor. Weiße Wände aus undurchdringlichem Nebel, die sich ohne einen erkennbaren Plan hin und her verschoben. Nur dass ihr aus dieser Perspektive auch noch schwindelig bei dem Anblick wurde. Zum ersten Mal, seit sie das Labyrinth betreten hatte, blieb Mageli stehen. Und die Nebelwände taten das Gleiche. Erstaunt machte Mageli zwei Schritte nach vorn. Sofort verschoben sich auch die Wände wieder. Mageli hielt erneut an. Und auch die Wände kamen zur Ruhe.
Na toll! Endlich hatte sie herausgefunden, wie sie
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