Elfenblick
zusammen und fragte in die Runde: »Könntet ihr euch vorstellen, mir zu helfen?«
»Helfen?«, fragte Rikjana. »Welche Hilfe benötigst du?«
»Na ja, ich habe dir doch erzählt, dass ich hier bin, um Erin zu finden«, wandte Mageli sich direkt an ihre Gastgeberin. »Ich fürchte, er befindet sich in Gefahr. In tödlicher Gefahr! Aber ich weiß weder, wo ich nach ihm suchen soll, noch, wie ich ihm helfen kann …«
»Der Prinz in Gefahr?« Zita zog scharf die Luft ein. »Was soll das bedeuten?«
»Wir wissen, dass Prinz Erin seit einigen Tagen von einer ungewöhnlichen Krankheit befallen ist«, sagte Ondulas zu Mageli. »Der König lässt bereits alle Heiler und Magier im Palast zusammenkommen, um ihn zu kurieren. Aber von einer Gefahr haben wir bislang nichts gehört. Was sagt denn deine Quelle?« Er schaute zu Belena, wieder mit einem etwas spöttischen Ausdruck, wie es Mageli schien.
»Meine Quelle«, Belena betonte das Wort mit einem ironischen Unterton, »habe ich seit einigen Tagen nicht mehr gesprochen. Meriant weicht Erin sicher nicht von der Seite, wenn er den Eindruck hat, dass der Prinz seines Schutzes bedarf.«
»Hört mir zu.« Rikjana hatte die Stimme erhoben und wartete nun, dass alle ihr Aufmerksamkeit schenkten. »Wir sollten überlegen, was wir in dieser Sache tun können. Und wir müssen langfristige Pläne schmieden, wie wir gegen Ferocius’ Lügen vorgehen können. Aber, auch wenn ich dir deine Geschichte glaube, Mageli, wäre es besser, du würdest uns nun erst einmal allein lassen, damit wir uns beraten können.« Entschuldigend und auffordernd zugleich blickte sie ihren Gast an.
Mageli fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Warum wollte die Elfe sie plötzlich loswerden? Sehr weit schien es mit dem Vertrauen der anderen nicht her zu sein. Dabei ging es hier unter anderem um sie. Und um Erin! Mageli wandte sich Ondulas zu, aber auch der zuckte nur hilflos mit den Schultern. Rikjanas Wort hatte in diesem Kreis anscheinend das größte Gewicht.
»Bitte, Mageli, du kannst in deinem Zimmer auf unsere Entscheidungen warten.« Rikjana klang, als spräche sie zu einem störrischen Kind. Und genauso kam Mageli sich vor: wie ein kleines Kind, das hinausgeschickt wird, damit die Eltern in Ruhe etwas bereden können. Wütend und enttäuscht schnappte sie sich ihren Rucksack und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal nach den anderen Elfen umzudrehen.
Seufzend ließ Mageli sich auf die Matte am Boden fallen und starrte an die hohe Decke.
Erins Stimme klang ihr in den Ohren: Er wird mich töten! So schwach, so müde! Und so voller Angst! Was war bloß los mit ihm?
Mageli versuchte angestrengt, sich auf die wenigen Puzzlestücke zu konzentrieren, die sie kannte, und diese zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Das letzte Mal war Erin ihr in der Menschenwelt begegnet, als er mitten in der Nacht im strömenden Regen in ihrem Garten gestanden hatte. Mageli spürte einen Kloß im Hals. Danach hatte sie Erin in ihren Träumen nicht mehr gesehen, sondern nur noch seine Stimme gehört.
Dennoch waren die Orte in ihren Träumen unterschiedlich gewesen. Das eine Mal befand er sich in einem stockdunklen Verlies und beim nächsten Mal in einer gleißend hellen Landschaft aus Licht – so etwas hatte Mageli noch nie zuvor erlebt. Er hatte sie vor dem Schattenfürsten gewarnt. Dann hatte er sie vor einer Gestalt gerettet, die aussah wie ein riesiger Schattenvogel. Und zuletzt seine Worte: Er wird mich töten! Mageli schauderte. Dann schnaufte sie genervt und richtete sich auf. Sie wusste einfach zu wenig, um Erin helfen zu können! Aber das würde sich kaum ändern, wenn sie hier herumlag und grübelte. Sie musste etwas tun! Entschlossen sprang sie auf. Sie würde sich in der Elfenstadt umsehen und vor allem umhören.
So leise wie möglich schlüpfte Mageli wieder in die Küche und lauschte. Die Stimmen aus dem Nebenraum drangen gedämpft zu ihr herüber, hin und wieder schwoll eine lautstark an. Die Elfen schienen in heftige Diskussionen vertieft zu sein. Unwahrscheinlich, dass einer von ihnen Magelis Verschwinden bemerken würde. Eilig blickte Mageli sich nach einem Ausgang um.
Auf dem massiven Küchentisch entdeckte sie ihr Amulett. Rikjana musste es vorhin da hingelegt haben. Ohne nachzudenken, griff Mageli nach der Kette und streifte sich das Lederband mit dem Anhänger über. Dann wandte sie sich der dritten Türöffnung im Raum zu – der einzigen, von der sie nicht wusste, wohin sie führte. Mit
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