Elfenblick
entwischt«, beendete Brigan den Satz für ihn.
»Sie ist was?« Die Stimme des Meisters klang ungläubig.
Die beiden Wachen zuckten nur mit den Schultern, den Blick noch immer stur nach unten gerichtet.
»Das kann ich kaum glauben«, erklärte der Fürst. »Dass euch so ein dummes kleines Mädchen einfach entwischen konnte. Wie, bitte sehr, war das möglich?«
Waldur schluckte zweimal. Er hatte das Gefühl, etwas sehr Trockenes im Hals zu haben.
»Sie muss Magie gebraucht haben, Meister«, antwortete er schließlich.
»Magie, soso.« Die Stimme des Meisters klang nachsichtig. »Nun, gegen Magie kann euresgleichen natürlich wenig ausrichten. Und wo ist das Mädchen hin?«
»Wir wissen es nicht«, entgegnete Waldur etwas sicherer, weil er das Gefühl hatte, dass der Meister Verständnis zeigte.
»Sie muss wohl in die Stadt geflohen sein«, fügte Brigan hinzu, froh, auch etwas beitragen zu können.
»In die Stadt, soso.« Der Meister klang nachdenklich. »Und was gedenkt ihr zu unternehmen, um das Mädchen zurückzuholen?«
»Aber, Meister«, wandte Waldur ein. »Ihr wisst, dass wir in der Stadt wenig ausrichten können. Dort patrouillieren König Livians Wachen. Vielleicht könnte man den König bitten …« Er brach ab, als ihm auffiel, dass der Meister seine Erklärung mit eisigem Schweigen quittierte.
»Ich dachte ja nur …«, rechtfertigte Waldur sich.
»Ihr sollt nicht denken«, fuhr der Meister ihn an. Seine Stimme klang gar nicht mehr nachsichtig. »Ihr sollt das tun, was ich euch sage.«
»Sicher, Meister«, antworteten Waldur und Brigan wie aus einem Mund.
»Also, seht mich an.«
»Meister?«
»Seht mich an«, befahl der Fürst mit eisiger Stimme.
Zögernd erhoben Waldur und Brigan ihre Augen, bis sie dem stechenden Blick des Meisters begegneten. Einige Sekunden lang versuchten sie, ihm standzuhalten. Dann brach zuerst Waldur und kurz darauf auch Brigan zusammen. Die beiden Körper wanden sich auf dem Boden und die Männer stießen ein markerschütterndes Stöhnen aus. Schließlich blieben sie steif und reglos liegen.
Ondulas’ Hand lag schwer auf Magelis Schulter, als er sie durch den Durchgang schob. Mageli war nicht sicher, ob die Geste als Beruhigung gedacht war oder ob er sie daran hindern wollte wegzulaufen. Sie wäre gerne weggelaufen. Die Vorstellung, einer ganzen Gruppe von Elfen gegenüberzustehen, deren Absichten sie nicht kannte, verunsicherte sie maßlos. Doch an Abhauen war natürlich nicht zu denken, sie wusste ja nicht einmal, wo sie sich befand.
Ondulas führte sie durch den nächsten Raum, eine Art Küche. In der Mitte stand ein runder Tisch mit einer dicken Holzplatte, an der Wand befand sich auf Arbeitshöhe eine Feuerstelle, und auf Borden und Regalen türmten sich Fläschchen, Krüge und Schalen, die allerlei Tinkturen, getrocknete Pflanzen und Dinge enthielten, die Mageli nicht identifizieren konnte. Aus dem nächsten Raum erklang leises Murmeln. Mageli zögerte, der Druck von Ondulas’ Hand auf ihrer Schulter verstärkte sich und sie stolperte weiter.
Das Gemurmel verstummte schlagartig, als die beiden eintraten. Auf einem kunstvoll gewebten Teppich saßen drei Frauen und zwei Männer und sahen ihnen mit erwartungsvollen Mienen entgegen. Schnell senkte Mageli den Blick, und ihre Hände zupften wie von selbst ein paar Strähnen in ihr Gesicht.
»Das ist Mageli, wie ihr euch alle denken könnt«, erklärte Ondulas der Gruppe. Die Hand noch immer auf ihrer Schulter, trat er neben sie und stellte ihr die Anwesenden der Reihe nach vor.
»Surani, unsere beste Kämpferin«, sagte er und deutete auf die junge Frau, deren dickes rotblondes Haar ihr wie ein Schleier über den Rücken fiel. Darin steckten eine Vielzahl glitzernder Steinchen – Kristalle, vermutete Mageli –, die auch eine feine Brosche am Ausschnitt ihres weißen Kleides zierten, auf der ebenfalls die beiden verschränkten Hände zu erkennen waren.
Surani lächelte Ondulas süffisant an. »Ein solches Lob aus deinem Munde … Unser Meister der Waffen übertreibt natürlich maßlos«, fügte sie an Mageli gewandt hinzu.
»Ich habe Kämpferin gesagt«, betonte Ondulas mit einem Augenzwinkern und die rothaarige Elfe nickte wissend.
»Bilian, unser Denker und Zweifler.« Ondulas zeigte auf den Mann neben Surani. Im Gegensatz zu den anderen Elfen, die dezente Farben zu bevorzugen schienen, war er sehr auffällig in leuchtenden Blau- und Rottönen gekleidet, die Mageli an die verschiedenen Schattierungen
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