Elfenblick
Ausdruck in Ondulas’ Augen nicht mochte.
»Können wir hinunter?«, fragte sie stattdessen aufgeregt und wurde mit einem weiteren Funkeln belohnt.
»Natürlich, komm.« Wieder nahm er ihre Hand und zog sie auf einen der lianenartigen Aufzüge, der in diesem Moment aus dem Nichts auftauchte.
»Ich frage mich …«, sagte der Elf nachdenklich, während der Aufzug sanft nach unten schwebte. Noch ein unvollendeter Satz. Dieses Mal hakte Mageli nach.
»Was fragst du dich?«
»Normalerweise treiben wir auf diesem Platz Handel oder wir versammeln uns zu Abstimmungen oder Bekanntmachungen oder Festtagen. Heute streben alle diese Elfen zum Palast. Der König scheint tatsächlich jeden einzelnen Magier und Heiler zu sich gerufen zu haben, der in Enigmala zu finden ist. Ich hoffe bloß, dass es um den Prinzen nicht schlechter steht, als wir bisher vermutet hatten …«
Magelis Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
»Los!« Dieses Mal ergriff Mageli Ondulas’ Hand und zerrte ihn hinter sich her, sobald der Aufzug zum Halten kam. »Wir müssen herausfinden, was los ist!«
Ohne auf Ondulas’ Protest zu achten, rannte Mageli quer über den ganzen Platz auf den Strom von Gestalten zu, die sich mit ernsten Gesichtern und eiligen Schritten zum Palast bewegten.
»Entschuldigung«, wandte sie sich an einen Mann mit langen, silbergrauen Haaren, der einige Schriftrollen unter dem Arm trug. Der Mann beachtete sie nicht und ging stur weiter.
»Mageli!«, hörte sie Ondulas rufen. Sie blickte sich um und sah, dass er quer über den Platz auf sie zueilte. Mageli ignorierte ihn.
»Entschuldigung.« Sie versuchte ihr Glück noch bei drei weiteren Elfen, aber alle gingen mit starren Gesichtern und schnellen Schritten an ihr vorbei. Schließlich platzte Mageli der Kragen.
»Dann muss ich eben selbst herausfinden, was mit Erin passiert!« Mit diesen Worten stürmte sie auf das breite Portal des Palastes zu.
Leise fluchend rannte Ondulas hinter ihr her. »Mageli, lass den Unsinn. Mageli, das ist viel zu gefährlich. Bleib hier!«
Als die Elfen in der näheren Umgebung anfingen, sich neugierig zu ihm umzudrehen, blieb Ondulas stehen. Offenbar wollte er lieber keine Aufmerksamkeit erregen. Mageli nutzte die Gelegenheit und tauchte im Strom der Heiler und Magier unter.
Auch wenn die Tore weit offen standen, war Mageli sich nicht sicher, ob sie einfach ungehindert in den Palast marschieren konnte. Es gab hier doch sicher Wachen! Was, wenn diese sie aus dem Getümmel herauspickten und wieder in irgendein Verlies warfen? Sie hatte nur eine Chance: Sie musste so wirken wie alle anderen Elfen hier.
Als sie sicher war, Ondulas entwischt zu sein, verlangsamte sie ihre Schritte und ließ einige der Elfen an sich vorüberziehen. Sie wusste nicht genau, wonach sie Ausschau hielt, doch schon nach kurzer Zeit kam eine Gruppe an ihr vorbei, die für ihre Tarnung wie geschaffen schien. Ihr Anführer war ein stattlicher Mann mit wallendem schwarzem Haar, das von einem goldenen Stirnreif gebändigt wurde. Sein bunt bestickter Mantel flatterte hinter ihm her, und in der Hand hielt er einen gedrehten Holzstab, mit dem er heftig gestikulierte, während er ohne Unterlass über einen komplizierten Heiltrunk dozierte. Seine Begleiter hingen so gebannt an seinen Lippen, dass sie nicht bemerkten, als Mageli sich ihnen anschloss. Perfekt! Als wissbegierige Schülerin eines brillanten Heilers würde sie bei den Palastwachen vermutlich am wenigsten Misstrauen erwecken. Sie beschleunigte ihre Schritte, um auf keinen Fall den Anschluss zu verlieren, und näherte sich dem Tor.
An den beiden mit Schnitzereien verzierten Flügeln des imposanten Eingangs standen zwei Elfenkrieger Wache, ein Mann auf der einen und eine Frau auf der anderen Seite. Neugierig betrachtete Mageli die ungewöhnlichen Uniformen: Über der leichten elfischen Kleidung trugen sie Brustpanzer sowie Arm- und Beinschienen, die aus Holzteilen gefertigt und an Schultern und Knien durch Polster aus schuppigem Leder verstärkt waren. Mit ihrer rechten Hand hielten die Wächter einen gedrehten Holzstab umfasst, der vom Boden bis zur Schulter reichte und an dessen Spitze ein geschliffener Kristall befestigt war. Das Licht brach sich in den Kanten der Kristalle und blitzte vielfach daraus zurück. Ob das die Waffen der Wächter waren? Andere konnte Mageli jedenfalls nicht entdecken.
Schnell senkte sie ihren Blick zum Boden, zupfte ihre Haare ins Gesicht und flehte stumm, dass die Wachen dieses kleine
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