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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schneiderinnen zu betätigen, übrig geblieben war, um ihre Finger gewickelt und es schlichtweg vergessen, was aber nicht bedeutete, dass man den improvisierten Verband übersehen konnte. Ganz im Gegenteil. Es sah ziemlich schlimm aus.
    »Das ist nichts«, sagte sie und bekräftigte ihre Worte mit einer wegwerfenden Geste. Dann streifte sie den improvisierten Verband ab und hielt die Finger in die Höhe, damit er die winzigen, dünnen Schnitte auf ihren Fingerkuppen sehen konnte. Istvan begutachtete sie deutlich länger und aufmerksamer, als ihr recht war, gab sich aber dann offensichtlich mit ihrer Ausrede zufrieden und beließ es bei einem flüchtigen Schürzen der Lippen.
    »Du solltest vorsichtig sein«, sagte er. »Immerhin bist du im Moment Bracks größter Schatz. Er wird es nicht gerne sehen, wenn er in Gefahr gerät.«
    »Ich war nur ungeschickt«, antwortete sie, ohne auf diese neuerliche Provokation einzugehen. »Meine Mutter hatte früher ein Sprichwort, über das ich mich als Kind immer geärgert habe: Dummes Fleisch muss weg.« Sie verzog übertrieben gequält die Lippen. »Wie es aussieht, hatte sie recht damit.«
    Istvan lachte nicht, sondern sah nur noch einmal auf ihre zerschnittene Fingerspitzen hinab und wandte sich schließlich mit einem Ruck zur Tür. Eisiger Wind und der Geruch nach frisch gefallenem Schnee wehten herein, als er sie öffnete, und Pia erhaschte einen kurzen Blick auf zwei frierende Gestalten in Helm und Harnisch, die auf der anderen Straßenseite standen und den Eingang beobachteten. Sie war nicht überrascht, die beiden Männer wiederzuerkennen. Es waren stets dieselben. Pia fragte sich, was die beiden armen Kerle eigentlich ausgefressen hatten, um von Istvan zu einer zweiwöchigen Dauerwache verdonnert zu werden, und vor allem, wie sie das Kunststück fertigbrachten, sie durchzuhalten. Vermutlich, dachte sie, schliefen sie abwechselnd und im Stehen.
    »Es gibt noch ein paar andere Dinge, um die ich mich kümmern muss«, sagte Istvan im Hinausgehen. »Ich verlasse mich darauf, dass hier alles seine Richtigkeit hat.« Ohne ein weiteres Wort des Abschieds zog er die Tür hinter sich zu, und Pia drehte sich gerade noch rechtzeitig genug herum, um zu sehen, wie Brack der geschlossenen Tür die Zunge herausstreckte. Gegen ihren Willen musste sie lachen.
    »Jetzt habe ich dich«, sagte sie. »Wenn du in Zukunft nicht tust, was ich von dir verlange, dann verrate ich dich an Istvan. Wahrscheinlich wird er dir die Zunge herausschneiden lassen.«
    »Und sie höchstpersönlich von außen an die Tür nageln«, bestätigte Brack, grinste plötzlich so breit und selbstzufrieden wie ein Schuljunge und ließ sich dann ächzend in die Hocke sinken, um den blutigen Fetzen aufzuheben, den Pia einfach fallen gelassen hatte. Er betrachtete ihn einen Herzschlag lang stirnrunzelnd, warf ihr dann einen leicht vorwurfsvollen Blick zu und schlurfte zum Kamin, um ihn in die Flammen zu werfen. Vielleicht, dachte sie, war es hier doch nicht üblich, alles einfach fallen zu lassen, was man nicht mehr brauchte.
    »Mich müsst ihr jetzt auch entschuldigen«, sagte er, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, langsam und mit einer so mühsamen Bewegung, dass Pia sich zum ersten Mal fragte, wie alt Brack eigentlich war. »Ich habe noch eine Menge zu tun. Morgen beginnt der Rindermarkt, und wenn ich mich nicht spute, dann sind die besten Stücke schon weg, bevor ich auch nur da bin.«
    »Ja, tu das, und …«, begann Pia, brach dann mitten im Satz ab und spürte selbst, dass es ihr nicht ganz gelang, sich ihr Erschrecken nicht anmerken zu lassen. »Was hast du gerade gesagt?«
    »Dass ich noch eine Menge Vorbereitungen zu treffen habe«, antwortete Brack leicht verwirrt. »Die Idee deiner Freundin mag ja einfach klingen, aber wahrscheinlich bleibt die meiste Arbeit wieder an mir hängen, und …«
    »Das meine ich nicht«, unterbrach ihn Pia. »Der Markt.«
    »Er öffnet morgen, bei Sonnenaufgang«, sagte Brack. »Aber die meisten Händler sind schon da oder treffen im Laufe des Tages ein. Ich kenne ein paar, mit denen ich heute Abend schon verhandeln kann.«
    Morgen? , dachte Pia verwirrt. Aber Vollmond war doch erst in …
    Dann wurde ihr ihr eigener Irrtum klar. Valoren hatte den Vollmond vermutlich nur erwähnt, weil er Teil der Zeitrechnung dieses Landes war. Der Rindermarkt, von dem sie gesprochen hatte, begann drei Tage vorher.
    »Was beunruhigt dich so?«, fragte Brack, schon wieder in leicht

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