Elfenblut
misstrauischem, wenn auch sehr besorgtem Ton.
»Nichts«, sagte Pia. »Ich … war nur ein bisschen erschrocken, weil Alica vermutlich wieder jede freie Minute ausnutzen wird, um auf den Markt zu gehen und alles mögliche Grünzeug zu kaufen.«
»Weil ich was?«, fragte Alica.
Brack grinste flüchtig. Alica war tatsächlich nahezu jeden Tag mindestens einmal auf dem Markt gewesen, und es war nicht eine einzige Gelegenheit verstrichen, die sie nicht genutzt hätte, um mit einem Armvoll fremdartiger Blumen- und Gemüseblätter zurückzukommen; vorzugsweise solcher, die man trocknen und in möglichst kleine Fitzelchen zerschneiden konnte.
»Sie kann Lasar einfach sagen, was sie braucht«, antwortete er. »Der Nichtsnutz hat sowieso zu wenig zu tun.«
Lasar, der hinter der Theke stand, spießte Brack regelrecht mit Blicken auf, war aber auch klug genug, rasch den Kopf zu senken und beschäftigt zu tun, als Brack seinen Blick zu spüren schien und zu ihm hinsah.
»Was genau hast du damit gemeint?«, erkundigte sich Alica misstrauisch.
Pia antwortete nicht darauf, und Brack musste die Worte wohl trotz der Sprachbarriere zwischen ihnen verstanden haben, denn sein Grinsen wurde breiter und erlosch dann. Für einen kurzen, aber sonderbar unangenehmen Moment sah er noch einmal Pias rechte Hand an. Sie wollte es eigentlich nicht, folgte seinem Blick aber dann doch und stellte mit leichtem Erschrecken erst jetzt fest, dass sie nicht nur auf dem Bett und dem Fußboden oben, sondern auch auf dem weißen Stoff ihres Kleides eine Spur winziger braun eingetrockneter Blutströpfchen hinterlassen hatte.
»Wenn du irgendein Problem hast, Pia«, sagte Brack, wobei er ganz bewusst ihren richtigen Namen benutzte, um ein höheres Maß an Vertrauen zwischen ihnen zu schaffen, »dann würdest du es mir doch sagen, oder?«
Noch vor wenigen Stunden hätte Pia ganz impulsiv darauf genickt. Doch das war, bevor sie mit Hernandez gesprochen hatte. Jetzt zögerte sie gerade lange genug, um dieser Bewegung ihre Glaubwürdigkeit zu nehmen. Eine Spur von Trauer mischte sich in Bracks Blick, aber er sagte nichts, sondern wandte sich nur mit einem Ruck ab und stapfte zur Theke, um Lasar mit einem Schwall der üblichen vollkommen aus der Luft gegriffenen Vorwürfe zu überhäufen.
Alica sah ihm irritiert nach, blickte dann genauso nachdenklich und ein bisschen alarmiert auf Pias Hand und setzte sichtlich dazu an, ihrerseits eine entsprechende Frage zu stellen, doch Pia kam ihr zuvor.
»Komm mit«, sagte sie. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer und blieb mit der Hand auf dem Türgriff stehen, bis Alica ihr gefolgt war. Sie schloss die Tür nicht ganz, sondern ließ sie einen Spaltbreit offen stehen, damit sich ein gewisser schmerbäuchiger Wirt nicht etwa hinter ihnen anschleichen und das Ohr dagegenpressen konnte, um zu lauschen, bedeutete Alica mit einer befehlenden Geste, ans Fenster zu treten und gleichzeitig still zu sein. Alica gehorchte, auch wenn ihr Gesichtsausdruck nun so ratlos und verstört wurde, dass sie Pia beinahe leidtat.
»Wo bist du die ganze Nacht gewesen?«, begann sie.
»Wie?«, murmelte Alica. Dann verdüsterte sich ihr Gesicht. »Moment mal, Schätzchen. Wir sind zwar vielleicht auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich dir …«
»… dass du mir irgendeine Rechenschaft schuldig bist, nein«, unterbrach sie Pia. »Aber es gibt da ein paar Dinge, die du nicht weißt. Wir können Malu nicht trauen.«
»Ach?«, machte Alica spöttisch.
»Und Brack auch nicht«, fügte Pia hinzu.
Alica legte den Kopf schräg. »Was soll das heißen?«
Pia zögerte noch einen ganz kurzen Moment, dann erzählte sie ihr mit knappen, dennoch sehr eindringlichen Worten, was Hernandez gestern gesagt hatte. Alica hörte mit wachsender Verblüffung zu und versuchte sie zwei- oder dreimal zu unterbrechen, doch Pia brachte sie jedes Mal mit einer raschen Handbewegung zum Schweigen, bis sie mit ihrem Bericht zum Ende gekommen war.
Diesmal verging fast eine Minute, in der Alica sie einfach nur anstarrte, und Pia konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. »Und das glaubst du ihm?«, fragte sie schließlich.
Pia trat neben ihr ans Fenster und blickte ein paar Sekunden lang auf die Straße hinab, bevor sie antwortete. Die beiden Soldaten standen immer noch draußen in der Kälte, und auch ansonsten bot die Straße denselben Anblick wie an jedem Morgen:
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