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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sekunden – die sie ganz und gar nicht hatten –, um seinen Schmerz zu bewältigen und wieder halbwegs zu sich zu kommen.
    Der kleine Mann fand seine Fassung deutlich schneller wieder, als sie erwartet hätte. Zwar noch immer mit zuckenden Mundwinkeln, aber erstaunlich kraftvoll stemmte er sich auf die Beine und zwang sich sogar zu so etwas wie einem Lächeln.
    »Danke, Erhabene«, sagte er. »Ohne Euch wäre ich jetzt tot.«
    Mit ihr auch, aber das begriff er wahrscheinlich nicht einmal mehr. Die Wand hinter ihm flog in einer Wolke aus Ziegelsteinen und Staub auseinander, und ein brennender Ork brach daraus hervor, schlug Istvan mit der bloßen Faust den Kopf von den Schultern und hätte auch sie einfach in den Boden getrampelt, wäre sie ihm nicht im allerletzten Moment mit einer verzweifelten Bewegung ausgewichen.
    Pia verlor durch die hastige Bewegung das Gleichgewicht und fiel schwer (natürlich auf das verletzte Knie), und der Ork raste wie eine lebende Dampfwalze an ihr vorbei und krachte in die gegenüberliegende Wand. Seine Wucht reichte nicht aus, sie zu durchbrechen, aber immerhin, ihn selbst zurücktaumeln und benommen zu Boden sinken zu lassen.
    Derselbe gehässige Teil ihres Unterbewusstseins, der sie schon seit Tagen mit ungewollt logischen Fragen malträtierte, fragte sie nun ganz sachlich, wer eigentlich zuerst wieder auf die Beine kommen würde, der Ork oder sie; eine Frage, die vielleicht nicht nur theoretisch über Leben und Tod entscheiden mochte.
    Wie es aussah, lief es auf ein Unentschieden hinaus.
    Pia mobilisierte jedes bisschen Willenskraft, das sie noch in ihrem geschundenen Körper fand, um sich herum- und auf Hände und Knie zu wälzen, und der Ork stemmte sich kaum zwei Meter neben ihr hoch und starrte sie aus blutunterlaufenen Augen an, in denen Schmerz und blanke Mordlust einen stummen Kampf miteinander fochten, dessen Ausgang vielleicht noch nicht endgültig feststand, ohne dass sein Ergebnis irgendeinen Unterschied für sie gemacht hätte – er würde sie so oder so umbringen.
    Pia kam zumindest als Erste wieder in die Höhe, was ihr nicht viel brachte, wie ihr ein einziger Blick in die Runde zeigte. Hinter der Wand, über die sie gerade so mühsam geklettert waren, lag eine weitere schmale Gasse, wie es sie hier zu Hunderten gab. Aber sie endete keine zehn Schritte hinter ihr vor einer fensterlosen Mauer, die sogar für sie entschieden zu hoch war, um sie ohne Hilfsmittel zu übersteigen, und der einzige Ausgang befand sich zehn oder zwölf Schritt entfernt am anderen Ende der Gasse. Hinter dem Ork.
    Pia überschlug in Gedanken blitzschnell ihre Chancen, einfach mit einem beherzten Sprung über den Ork hinwegzusetzen, und kam zu einem Ergebnis, das deutlich unter null Prozent lag. Der grüne Koloss hatte sich auf Hände und Knie hochgestemmt, und sein gekrümmter Rücken befand sich nahezu auf der Höhe ihres Gesichts. Ohne ihr geprelltes Knie hätte sie sich diesen Satz möglicherweise zugetraut, auch wenn er nur den Arm auszustrecken brauchte, um sie zu packen, aber so? Diesmal saß sie tatsächlich in der Falle.
    Aber es gab immer noch eine Sache, die sie tun konnte.
    Hastig griff sie nach den Schatten, versuchte sie zu einem schützenden Mantel um sich zu weben und registrierte mit einem Gefühl von kaltem Entsetzen, dass es ihr nicht gelang.
    Der Ork stöhnte grollend, begab sich wankend in eine kniende Position und drehte den Kopf in ihre Richtung. Er brannte nicht mehr, aber sein Oberkörper und sein Gesicht dampften, als wäre er gerade aus einer überhitzten Sauna in die Kälte hinausgetreten, und Pia sah, welch schreckliche Wunden ihm das Feuer zugefügt hatte. Von seinem Gesicht löste sich die Haut in großen, hässlichen Flecken, unter denen rotes, rohes Fleisch zum Vorschein kam, und eines seiner Augen war zu einer milchigen Kugel geworden. Auch wenn es vorher wahrscheinlich nicht anders gewesen war: Jetzt hatte sie von dieser verletzten Kreatur ganz bestimmt keine Gnade mehr zu erwarten.
    Sie versuchte noch einmal die Schatten herbeizurufen, noch einmal vergeblich.
    Panik machte sich in ihr breit. Irgendwie gelang es ihr, diese wenigstens weit genug zurückzudrängen, um noch halbwegs klar denken zu können. Sie machte einen hastigen Schritt zurück und sah sich mit immer größer werdender Verzweiflung um. Es war das zweite Mal, dass ihre magischen Kräfte sie im Stich ließen, und sie hatte sogar das Gefühl, eigentlich zu wissen, warum das so war, aber zugleich

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