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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vielleicht geglaubt hätten. Glück für dich.«
    »Und …?« Pia machte eine schüchterne Kopfbewegung dorthin, wo gerade noch der Beutel auf dem Tisch gestanden hatte. »Das da?«
    Esteban winkte ab. »Das war dumm«, sagte er. »Ihr seid dazugekommen, wie sich Hernandez und seine Leute um die Beute gestritten haben, und ihr habt eben die Gelegenheit ergriffen. Wer könnte schon einer Million in bar widerstehen, die einem praktisch in den Schoß fällt? Dumm, aber verständlich. Schließlich konntet ihr ja auch nicht wissen, wem die Ware gehört, nicht wahr? Und hättet ihr es gewusst, hättet ihr sie bestimmt nicht angerührt.«
    »Und du glaubst, dass sie dir das abkaufen?«
    »Dir«, verbesserte sie Esteban. »Nicht mir. Tut mir leid, aber das kann ich dir nicht abnehmen. Du wirst ihnen diese Geschichte schon selbst erzählen müssen – aber keine Sorge. Ich spreche vorher mit ihnen. Doch das kann ich eben erst, wenn ich weiß, was mit Hernandez los ist. Und so lange bleibst du hier und rührst dich keinen Zentimeter aus dem Haus.« Er wiederholte seine wedelnde Handbewegung. »Und jetzt geh und kümmere dich um Jesus.«
    Pia stand auf und ging zur Tür, drehte sich dann doch noch einmal um und sah zu ihm zurück. Esteban schien sie bereits vollkommen vergessen zu haben. Er massierte seinen verletzten Finger und blickte mit gerunzelter Stirn auf den Kristalldolch hinab, und der Ausdruck auf seinem Gesicht … verstörte Pia. Er wirkte immer noch nachdenklich und erstaunt, aber auch ganz eindeutig erschrocken. Als hätte er ein Gespenst gesehen.
    Er verschwieg ihr etwas. Pia hatte nicht die leiseste Ahnung, was es sein mochte, doch er verheimlichte ihr etwas, und sie spürte, dass es etwas Wichtiges war.
    Etwas sehr Wichtiges. Gern hätte sie eine entsprechende Frage gestellt, aber sie wusste, dass sie keine Antwort bekommen hätte, und so drehte sie sich nach einem weiteren, unbehaglichen Zögern um und überquerte den Flur, um das Zimmer zu betreten, in dem Jesus lag.
    Obwohl Esteban ganz zweifellos so etwas wie ein Vaterersatz für sie gewesen war und sich zeit ihres Lebens um sie gekümmert hatte, war Pia nicht in seinem Haus aufgewachsen. Vielmehr hatte sie ein Dutzend Eltern gehabt, unterschiedliche Familien von unterschiedlichem Alter und sozialem Status, bei denen sie manchmal für Monate, manchmal für nur wenige Wochen oder ein Jahr oder länger gelebt hatte, stets unter Estebans unsichtbarem Schutz, aber niemals direkt bei ihm. Trotzdem hatte sie ein Zimmer in seinem Haus, in dem sie manchmal übernachtet hatte (niemals länger als ein Wochenende), in das sie manchmal zum Spielen gekommen war und manchmal einfach nur so, um eine Stunde oder zwei hier zu sitzen und das Gefühl zu genießen, dass es einen Ort gab, der ihr allein gehörte, an dem sie tun und lassen konnte, was immer sie wollte, und an dem ihr niemand etwas vorschrieb. Ein großer Schatz, obwohl Estebans Haus alles andere als luxuriös war, nicht einmal sehr viel größer als die meisten anderen Häuser hier.
    Jetzt hatte dieses Zimmer die Unschuld der Jugend verloren und war zu einem Ort des Schreckens geworden. Es war dunkel. Pia verzichtete sowohl darauf, das Licht einzuschalten, als auch, die Läden zu öffnen, und durch die schmalen Spalten zwischen den hölzernen Lamellen drang nur mattgrauer Lichtschein herein, kaum genug, um den Raum nicht in vollkommener Dunkelheit versinken zu lassen. Die Luft roch nach Blut, Exkrementen und vielleicht noch nach anderen, schlimmeren Dingen, die sie nicht erkannte und auch gar nicht erkennen wollte, und das allerschlimmste überhaupt waren Jesus’ unregelmäßige rasselnde Atemzüge.
    Sie schloss die Tür hinter sich, wie eine Barriere, die sie zwischen sich und der Wirklichkeit mit all ihren Schrecknissen und Gefahren aufrichtete, blieb aber unmittelbar dahinter stehen und wagte es nicht, sich dem Bett weiter zu nähern. Jesus war noch am Leben, das bewiesen seine mühsamen Atemzüge, doch sie hatte nicht den Mut, ganz an das Bett heranzutreten, in dem er lag – ihr Bett, das ihm viel zu klein und von dem sie nicht einmal sicher war, ob es sein Gewicht aushalten würde; immerhin wog er beinahe dreimal so viel wie sie –, und ihm ins Gesicht zu sehen. Er war schon bleich wie ein Toter gewesen, als die Männer in hereingebracht hatten, und seither hatte er noch mehr Blut verloren. Der Boden, auf dem sie stand, war klebrig, und der süßliche Geruch in der Luft erzählte den Rest der

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