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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht mehr Teil dieses Lebens war …
    Die Tür ging auf und beinahe sofort wieder zu, und leichte Schritte näherten sich. Pia sah nicht einmal auf, sondern blickte weiter den verschwommenen grauen Fleck an, als der Jesus’ Gesicht über dem weißen Kopfkissen zu schweben schien, aber sie roch ein ebenso billiges wie aufdringliches Parfüm und wusste, dass es Alica war, Estebans momentane Bettgespielin. Pia hatte nichts gegen, jedoch auch nicht besonders viel für sie übrig, wusste aber immerhin, dass sie kaum älter war als sie selbst und ziemlich hübsch.
    »Der Krankenwagen ist da«, sagte Alica.
    Jetzt schon? Esteban hatte am Telefon etwas von zwanzig Minuten gesagt. Hatte sie tatsächlich so lange hiergesessen und Jesus’ Hand gehalten? Ihr kam es vor, als wären es nur ein paar Sekunden gewesen.
    »Und jetzt hat Esteban dich geschickt, um auf mich aufzupassen?«, vermutete sie. »Damit ich keine Dummheiten mache?« Die Feindseligkeit in ihrer Stimme überraschte sie selbst ein bisschen, aber Alica schien sie nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen. Und selbst wenn, störte sie sie wahrscheinlich nicht.
    »Er hat nur gesagt, ich solle Bescheid sagen«, antwortete sie.
    Pia konnte das uninteressierte Schulterzucken, das die Worte begleitete, in der Dunkelheit hinter sich hören. Alica kam einen weiteren Schritt näher und blieb wieder stehen, und Pia nahm sich vollkommen emotionslos, aber sehr entschlossen vor, ihr die Hand zu brechen, wenn sie es wagte, sie zu berühren und ihr etwa in einer Große-Schwester-Geste die Hand auf die Schulter zu legen. Oder einen Finger.
    »Willst du ihn begleiten?«
    »Esteban will, dass ich hierbleibe.«
    »Nur bis zum Krankenwagen, meine ich.«
    Pia dachte einen Moment über diese Frage nach und schüttelte dann den Kopf. Schon hier zu sitzen und seine Hand zu halten, hatte mehr von Abschiednehmen, als sie sich eingestehen wollte. Mit ihm zu gehen und dabei zuzusehen, wie sie ihn auf eine Trage legten, die Türen des Krankenwagen hinter ihm schlossen und abfuhren, wäre mehr, als sie ertragen wollte. Wahrscheinlich konnte sie es. Aber sie wollte es nicht. »Nein.«
    »Wie du willst«, antwortete Alica. »Aber du kannst nicht hierbleiben. Hier in diesem Zimmer, meine ich.«
    »Es ist mein Zimmer«, erinnerte Pia.
    »Und du willst heute Nacht in diesem Bett schlafen?«
    Für diese Bemerkung konnte Pia sie noch ein bisschen weniger leiden.
    Aber sie hatte auch recht. »Nein«, gestand sie widerwillig ein.
    »Du kannst mein Zimmer haben«, sagte Alica. »Ist überhaupt kein Problem. Weißt du was? Ich gehe schon mal nach oben und bereite alles vor, und du kommst nach, wann immer du willst.«
    Sie war ja so großzügig, dachte Pia und tat ihr nicht den Gefallen, auch nur ein einziges Wort zu sagen, sondern blickte nur stumm auf Jesus’ bleiches Gesicht hinab, aber ihr Schweigen schien Alica als Antwort vollauf zu genügen. Sie verschwand, um nach oben zu gehen und alles vorzubereiten . Pia fragte sich, was eigentlich. Die Barbie-Puppen von ihrem Bett zu räumen oder ihre Bücher fürs Erstlesealter?
    Sie war sich darüber im Klaren, dass sie Alica Unrecht tat, aber ihr schlechtes Gewissen hielt sich in Grenzen. Manchmal war es gut, jemandem Unrecht zu tun, und jemand wie Alica war eindeutig ein dankbares Opfer.
    Ihr blieb noch eine gute Minute, dann wurde es draußen laut, und die Tür wurde unsanft aufgestoßen, um zwei in weiße Jacken mit gelben Neonstreifen gekleidete Sanitäter einzulassen, die eine zusammengeklappte Trage mit sich führten. Ihre Fantasie-Uniformen waren Pia gänzlich unbekannt, vermutlich gehörten sie zu irgendeinem der privaten Rettungsdienste, die den offiziellen Stellen seit Jahren zunehmend (willkommene) Konkurrenz machten, aber sie gingen durchaus professionell vor. Pia stand auf und wich hastig ein paar Schritte zurück, um nicht im Weg zu stehen, folgte jedem ihrer Handgriffe mit schon fast wissenschaftlicher Neugier; und sei es nur, um den bohrenden Schmerz nicht an sich herankommen zu lassen, mit dem sie Jesus’ Anblick erfüllte, nachdem die beiden Männer das Licht eingeschaltet hatten. Er sah noch kränker aus als befürchtet. Das bisherige blasse Licht hatte den Anblick seines Gesichts nicht schlimmer gemacht, sondern war barmherzig gewesen.
    Zumindest schienen die beiden Männer zu wissen, was sie taten. Keiner von ihnen sagte auch nur ein einziges Wort, und sie gingen sehr routiniert zu Werke. Während der Jüngere die Trage auseinanderklappte

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